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Die Albe aus Rhynern ist ein bedeutendes Stück, das viel erzählen kann. Für die Präsentation im Rahmen der großen Gotik-Ausstellung wurde es aus seinem Dornröschenschlaf geweckt.

Die Albe von Rhynern“ In der Restaurierungswerkstatt Heitmeyer-Löns, Foto: Restaurierungswerkstatt

„Uns haben allen die Augen getränt, wir mussten husten, bekamen Schnupfen, konnten gar nicht weiter arbeiten. Damit hatten wir nicht gerechnet“, erzählt die Texilrestauratorin Sabine Heitmeyer-Löns. Sie ist eine erfahrene Expertin und hatte schon häufig Textilien dieses Alters auf ihrem Tisch. Über die historische Albe freut sie besonders, doch dieses liturgische Untergewand eines Priesters hat es in sich: Die so genannte Albe aus Rhynern stammt aus dem 13. Jahrhundert und hat Jahrzehnte lang zusammengequetscht in einem – im Verhältnis zu ihrer beachtlichen Größe – winzigen Holzkästchen geschlummert. Irgendwann, vermutlich in den 1960er Jahren, hat ein wohlmeinender Restaurator sie zum Zweck der Konservierung mit Chemie behandelt, die noch heute wirksam ist.

Die Texilrestauratorin und ihr Team holten also den Spezialstaubsauger heraus, zogen Handschuhe und Mundschutz über. Jetzt  arbeiteten sie mit einer Absauganlage, damit die aggressive Chlorverbindung ihnen nichts mehr anhaben konnte. Langwierige, minuziöser Kleinarbeit lag vor ihnen: „Was wir hier getan haben, wird man kaum sehen, aber es war sehr, sehr mühselig“, erklärt Sabine Heitmeyer-Löns. „Wir haben ja versucht – anders als früher, als es in der Restaurierung üblich war, alles „schön“ zu machen – dieses Objekt so zu erhalten, dass alle Spuren weiterhin lesbar sind. Wir wollten ihm Gutes tun, damit es auf Dauer überleben kann. Dazu gehört auch die Planung der weiteren Aufbewahrung und es sollte ja auch ausgestellt werden.“

Die Geheimnisse der Albe

Albe vor der Restaurierung, Diözesanmuseum Paderborn, Foto: Ursula Pütz

Im Mittelalter versinnbildlichte die Albe kultische Reinheit. Wenn der Priester das weiße Leinen-Unterkleid anlegte, war das ein ritueller Vorgang und er sprach Gebete. Die Albe aus Rhynern ist schon seit gut 20 Jahren in der Obhut des Diözesanmuseums und schlummerte im Depot der Sammlung. Durch die aktuelle Ausstellung ist die aufwändige Restaurierung des einzigartigen Stückes möglich geworden. „Diese Albe ist eine Kostbarkeit. Sie ist nicht nur das einzige erhaltene Gewand dieser Art und aus dieser Zeit in Westfalen, sie wurde auch aus einem sehr edlen, besonders fein gewebtem Leinen hergestellt. Außerdem hat sie einen aufwändig gestalteten Besatz. Wir nennen ihn Parura“, sagt Ursula Pütz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Diözesanmuseums und zuständig für die Sammlung. Die üppige Machart lässt darauf schließen, dass dieses Stück vermutlich für einen hohen Würdenträger gefertigt wurde.

Sechs Meter Stoff und Papageien aus Wolle

Albe aus dem 13. Jh., Diözesanmuseum Paderborn, Foto: Stephan Kube

Auf Saumhöhe beträgt der Durchmesser des glocken- bzw. trapezförmigen Kleidungsstücks mehr als sechs Meter! Interessant ist auch die Beschaffenheit der Parura: Ein Wollstoff mit hellen Ornamenten und bizarren Vögeln, die an Papageien erinnern, auf rotem Grund. „Solche Motive kamen aus dem Mittelmeerraum und aus Persien über Spanien und Italien in den Norden“, erklärt Ursula Pütz. „Dabei ging es den Menschen im Mittelalter nicht nur um schöne Gestaltung, sondern solche Stoffe waren immer auch Bedeutungsträger. Bei unserer Albe gibt es aber noch eine weitere Besonderheit, die sie so außergewöhnlich macht: Die Parura ist nicht aus Seide, wie im Süden üblich, sondern aus Wolle. Man griff also die fremden Vorbilder auf, und setze sie mit heimischen Materialien und Techniken um. Es ist kein vergleichbares Stück erhalten.“

Parura am Saum der Albe, Foto: Ursula Pütz

Die Sammlungsleiterin ist stolz auf diesen textilen Schatz aus dem eigenen Bistum, der nun endlich öffentlich zugänglich geworden ist. Wie ausgerechnet dieses Stück die Jahrhunderte überlebt hat, bleibt unklar, wie so vieles, was hier noch erforscht werden könnte. Zum Beispiel warum ein Stückchen der schönen Parura anscheinend abgeschnitten wurde. Brauchte man den kostbaren Stoff um eine Reliquie zu umhüllen? Ist die Albe im 19. Jahrhundert der legendären Sammelleidenschaft des Prälaten Bock zum Opfer gefallen? Er durchstreifte Kirchen und deren Archive auf der Suche nach liturgischen Textilien und war berühmt-berüchtigt für seine Archivierungswut und seine „schnelle Schere“, die er stets mit sich trug. „Ja, da gibt es immer ein bisschen Legendenbildung“, lächelt Ursula Pütz. „Jedenfalls wird überliefert, dass in der Zeit der Reformation ein Priester, der diese Albe trug, am Altar erschossen wurde. Mag sein, dass sie aus diesem Grund die Jahrhunderte überdauert hat. Ob eins ihrer Löcher wirklich von einer Kugel stammt ist heute schwer zu sagen.“

Text: W. Murauer-Ziebach

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