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Köln, Dom, Verpacken des Rubensteppichs „Sieg der Eucharistischen Wahrheit über die Häresie (Irrlehre)“. ©Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: M. Deml
Nach der Ankunft in Paderborn wird der kostbare Rubensteppich ganz vorsichtig abgerollt und ausgelegt.
Nach der Ankunft in Paderborn wird der kostbare Rubens-Teppich ganz vorsichtig abgerollt und ausgelegt.
Restauratorin Sabine Heitmeyer-Löns mit ihrer Kollegin Ursula Pütz vom Diözesanmuseum Paderborn vor der Aufhängung des Kölner Rubens-Teppichs.
Restauratorin Sabine Heitmeyer-Löns mit ihrer Kollegin Ursula Pütz vom Diözesanmuseum Paderborn vor der Aufhängung des Kölner Rubens-Teppichs.
Der große Moment: Ganz sacht hebt sich das textile Kunstwerk, um seinen Platz auf Höhe der obersten Museumsebene einzunehmen.
Der große Moment: Ganz sacht hebt sich das textile Kunstwerk, um seinen Platz auf der obersten Museumsebene einzunehmen.

Ein monumentaler Bildteppich mit einer verstörenden Szene! Sein Titel: „Sieg der Eucharistischen Wahrheit über die Irrlehre (Häresie)“. Da tobt ein wilder Kampf! Zu sehen sind herabstürzende Gestalten, ein sich windender Drache, und angstvoll blickend die beiden Reformatoren Calvin und Luther, die die eucharistische Wahrheit in Frage stellten. Es war Peter Paul Rubens, der geniale Meister des Barock, der das imposante Werk entwarf. Mit der Botschaft dieser dynamischen Darstellung verband sich seinerzeit auch eine politische Positionierung gegen die Reformation und für die Stärkung der katholischen Kirche und des katholischen Glaubens.

Vom Rhein zur Rubens-Ausstellung an die Pader

Gut 4 x 5 Meter misst die Rubens-Tapisserie aus dem Besitz des Metropolitankapitels Köln. Sie ist Teil der achtteiligen Serie „Triumph der Eucharistie“. Normalerweise schlummern diese kostbaren Werke in einem Depot, nur in der Zeit von Ostern bis Fronleichnam werden sie im Kölner Dom, zwischen den Pfeilern des Mittelschiffs, aufgehängt. Für die Ausstellung „Peter Paul Rubens und der Barock im Norden“ durfte einer dieser großartigen Bildteppiche ausnahmsweise reisen.

Brüsseler Weber schufen Rubens-Meisterwerk

Das textile Kunstwerk aus Wolle und Seide wurde um 1640 in der Brüsseler Manufaktur des Frans van der Hecke gewebt. Dort standen die Webstühle aufrecht im Raum und hinter der Kette hing in originaler Größe das auf Leinwand gemalte Bild oder eine Pause des Motives. Tapisserien waren äußerst wertvolle Repräsentationsobjekte, die in Fürstenhäusern und Domkirchen hingen. „Rubens musste bei der Teppichweberei eine ganz andere Oberfläche mitdenken“, erklärt die Textilrestauratorin Sabine Heitmeyer-Löns. „Eine große Herausforderung. Wie setzt man zum Beispiel Lichtreflexe in einem gewebten Bild? Rubens hat bei seiner Vorlage die ganze Handwerklichkeit mitgedacht.“

Erhalten ohne zu interpretieren

Sabine Heitmeyer-Löns betreut die Kölner Rubens-Tapisserien schon seit mehr als 20 Jahren: „Wir kennen jeden Quadratzentimeter, weil wir sie alle nacheinander in der Werkstatt hatten“. Und so ist die Fachfrau auch dabei, als das fast 400 Jahre alte Großexponat im Diözesanmuseum Paderborn eintrifft. Sehr vorsichtig wird es ausgepackt und schließlich behutsam nach oben gezogen, an seinen Platz auf Höhe der obersten Museumsebene.

Mehr als 1.500 Stunden haben Sabine Heitmeyer-Löns und ihre Kolleginnen an dem Bildteppich gearbeitet, der jetzt in Paderborn zu sehen ist, dabei war das nicht seine erste Restaurierung. Mit der Sicherung und Erhaltung der kompletten Kölner Serie wurde Mitte der 1970er Jahre bereits die Nürnberger Gobelin-Manufaktur beauftragt. Damals dauerte die aufwändige Prozedur gut 10 Jahre. „Die Substanz der Rubens-Teppiche war schon arg mitgenommen. Die Nürnberger haben das Beste gemacht, was man tun konnte, nämlich einen sehr schönen farblich einheitlichen Baumwollstoff mit Rippen zur Stabilisierung ganzflächig hinter die Teppiche genäht. Sie haben dazu eine Technik verwendet, die wir Restauratoren heute noch als optimal ansehen“, erzählt Heitmeyer-Löns bewundernd. „Wir versuchen ja immer das Objekt so originalgetreu wie möglich zu erhalten, ohne irgendwelche Interpretationen einzutragen. Das ist wie bei Gemälden, wenn man anfängt zu retuschieren, dann fängt man auch an zu fabulieren. Das heißt, wir ergänzen, wenn es eben geht, neutral.“

Zeitgeschmack und Straßenstaub

Als die acht Rubens-Teppiche als noble Schenkung des Domdechanten Wilhelm Egon von Fürstenberg aus Brüssel in den Kölner Dom kamen, hingen sie zunächst über den gotischen Malereien der Chorschranken. Doch der Zeitgeschmack änderte sich, am Dom wurde weitergebaut, 1842 entfernte man die Tapisserien, schließlich wurden sie sogar als Bodenteppiche bei Prozessionen genutzt. Und schwer beschädigt? „Das muss man differenziert sehen, denn neue Textilen halten viel aus“, berichtet Frau Heitmeyer-Löns. „Diese Teppiche waren aber bereits alt und vorgeschädigt. Kommen dann mechanische Belastungen wie Zug, Druck oder Bewegung hinzu, reißen oder brechen die Fasern und es entstehen Löcher. Der Hauptschädigungsfaktor bei historischen Textilien ist das Licht, und eine Tapisserie, die man zeigt, ist nun einmal dem Licht ausgeliefert. Wenn sie 1000 Jahre alte Stoffe aus Reliquiaren entnehmen, die ohne Licht und Luft überdauert haben, dann sind die wie neu. Textilien leiden im Wesentlichen durch den Oxidationsprozess unter Beteiligung von Lichtwellen.“

Mit Hydraulik und Fangstich

Trotz aller Vorsicht, beim Aufhängen und Abnehmen, beim Einrollen und beim Transport könnte es zu mechanischen Belastungen kommen. Deshalb sind präventive Techniken besonders wichtig. Für die alljährliche Präsentation der Rubens-Teppiche im Kölner Dom hat Sabine Heitmeyer-Löns Hand in Hand mit dem erfahrenen technischen Team vor Ort ein modernes und schonendes Verfahren entwickelt: „Die Kirchenbänke werden verschoben, so dass Folien ausgelegt werden können, auf denen man die Teppiche vollständig ausrollen kann. Oben ist ein Tunnel eingearbeitet, durch den ziehen wir eine Gerüststange. Dann kommen Geräte aus der Veranstaltungstechnik zum Einsatz, die nehmen mit ihren hydraulischen Armen den Teppich auf und fahren ihn durch das Kirchenschiff zum jeweiligen Platz. An Drähten können die Tapisserien dann schonend auf die richtige Höhe gezogen werden.“

Eine weitere Gefahr für die frei hängenden Teppiche ist das eigene Gewicht und so müssen alte Restaurierungen immer wieder überprüft und manchmal auch erneuert werden. „An diesem Rubens-Teppich gab es große Partien, die nachgenäht werden mussten, was vielleicht daran liegt, dass der in den 1970er Jahren unterlegte Stoff nicht sehr zugfest ist. Die Technik, die wir dann verwenden, ist der Spannstich, der in der Stickerei als Klosterstich bekannt ist. Wir arbeiten ihn mit dünnem, stabilem Garn und farblich so unauffällig ein, dass er im Gesamtbild kaum wahrzunehmen ist.“ Die Museumbesucher in Paderborn können diese wunderbare Tapisserie von einer Galerie aus quasi auf Augenhöhe bewundern, ohne etwas von der aufwändigen Restaurierungsarbeit zu ahnen.

Autorin: Waltraud Murauer-Ziebach

Paderborner Erzbischof sowie Ehrengäste des Königreichs Belgien und der Regierung Flanderns würdigten den großen flämischen Barockmeister und betonten den europäischen Geist der Ausstellung

PADERBORN. Mit einem bewegenden Festakt hat der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker am Freitagabend, 24.7., die große kunst- und kulturhistorische Ausstellung „Peter Paul Rubens und der Barock im Norden“ (bis 25.10) im Hohen Dom zu Paderborn eröffnet. Unter den geladenen Gästen aus dem In- und Ausland waren auch Vertreter des Königreichs Belgien und der Regierung Flanderns anwesend. Wegen der Corona-Pandemie fand die geplante Eröffnungsfeier mit eingeschränkter Personenzahl statt. Die Feierstunde fand am Vorabend zum großen Hochfest des Paderborner Bistumspatrons St. Liborius statt. Die Eröffnung der Rubens-Ausstellung, die bereits Ende Mai starten sollte, wurde bewusst auf diesen Termin verschoben, um in diesen schwierigen Zeiten, in denen auch das traditionelle weltliche Paderborner Liborifest nicht stattfinden kann, „zumindest im Medium Kunst ein Zeichen der Hoffnung und der Zuversicht“ zu setzen, so Erzbischof Becker.

In den Grußworten würdigten Valentine Mangez, in Vertretung des Botschafters des Königreichs Belgien, und Nic Van der Marliere, Generaldelegierter der Regierung Flanderns, die enge Verbundenheit zwischen Deutschland und Belgien und den europäischen Geist des Ausstellungsprojektes. Nils Büttner, Professor an der Staatlichen Akademie der Künste in Stuttgart, zeichnete in seinem Festvortrag die enorme Wirkung nach, die Peter Paul Rubens auf die Ausbreitung des flämischen Barock in Nord- und Mitteleuropa hatte. Einer der Höhepunkte des Abends war eine virtuelle Rekonstruktion des Paderborner Domes zur Barockzeit, die von Museumsdirektor Christoph Stiegemann erläutert wurde. Die im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstörte barocke Ausstattung des Doms, die im 17. Jahrhundert von Antwerpener Künstlern aus dem Rubens-Umfeld geschaffen worden war, wurde an diesem Abend für die Gäste – 75 Jahre nach Kriegsende – erstmals wieder erlebbar. Die digitale Animation wird vervollständigt durch das aufwendig rekonstruierte barocke Hauptaltarbild, das in der Ausstellung zu sehen ist.

In seinen Schlussworten sagte Erzbischof Becker: „Mit der Ausstellung ‚Peter Paul Rubens und der Barock im Norden‘ gedenken wir zugleich der Verheerungen des Zweiten Weltkriegs, der unendliches Leid und Zerstörung über die Welt gebracht hat.“ Nicht zuletzt im Gedenken an das Kriegsende sei für das diesjährige Liborifest das Motto „Et in terra pax“ (Frieden auf Erden), gewählt worden, so Becker weiter. „Wir sind gefordert, unsere Stimme zu erheben, klare Kante zu zeigen und für Frieden, Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit in Europa einzutreten.“ Mit einem gemeinsamen Friedensgebet von Papst Franziskus wurde der Festakt beschlossen. Im Anschluss hatten die Gäste Gelegenheit einen ersten Einblick in die Rubens-Ausstellung zu werfen.

Die Ausstellung „Peter Paul Rubens und der Barock im Norden“ ist ab dem 25. Juli unter Einhaltung der Abstands- und Hygienevorschriften für die Besucher*innen geöffnet.

 

Über die Ausstellung:

„Peter Paul Rubens und der Barock im Norden“ zeichnet ausgehend von der prachtvollen Neuausstattung des Paderborner Doms mit Altargemälden und Skulpturen durch Antwerpener Künstler aus dem direkten Rubensumfeld die Verbreitungs- und Erfolgsgeschichte der Kunst der südlichen Niederlande des 17. Jahrhunderts in Nordeuropa nach. Gezeigt werden Gemälde, Skulpturen und Zeichnungen aus internationalen Museen und Sammlungen, darunter das Rijksmuseum Amsterdam, das Victoria and Albert Museum in London, das Museum Plantin-Moretus in Antwerpen, das Statens Museum for Kunst Kopenhagen, die Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste Wien §&oder das San Francisco Museum of Modern Art. Eine eigene Ausstellungsabteilung widmet sich barocken Tendenzen in der Gegenwartskunst. Künstler wie Gerhard Richter, Tony Cragg oder Hans Op de Beeck stehen hier mit ausgewählten Arbeiten im Mittelpunkt. Eindrucksvolle 3D-Rekonstruktionen, Animationen und Multimedia-Stationen geben vertiefende Einblicke in die faszinierende Zeit des Barock und lassen die visuelle Kraft auch verlorener Bilder und Ausstattungen wieder aufleben. Ein reichbebilderter Katalog erscheint im Michael Imhof-Verlag. „RUBENS“ reiht sich ein in die großen kunst- und kulturhistorischen Ausstellungen des Diözesanmuseums Paderborn mit überregionaler Strahlkragt, darunter die „WUNDER ROMs“ und „GOTIK“.

 www.dioezesanmuseum-paderborn.de

Blick in die Ausstellung mit Peter Paul Rubens “Beweinung Christi”, um 1612, Vaduz-Vienna, LIECHTENSTEIN, The Princely Collections © Diözesanmuseum Paderborn/Besim Mazhiqi

Diözesanmuseum Paderborn zeigt ab 25. Juli 2020 die Sonderausstellung „Peter Paul Rubens und der Barock im Norden

Blick in die Ausstellung mit Peter Paul Rubens, Selbstbildnis, um 1625/30, Siegen, Siegerlandmuseum

PADERBORN. Corona konnte sie nicht aufhalten: die große kunst- und kulturhistorische Ausstellung „Peter Paul Rubens und der Barock im Norden“, die ab Samstag, 25. Juli, im Diözesanmuseum Paderborn zu sehen ist (bis 25.10.2020).

Die Schau zeigt Peter Paul Rubens‘ Schaffen und sein Wirken auf breiter Ebene. Es war Rubens, der mit seinen neuartigen Bildideen nicht nur die Malerei, sondern auch die Skulptur im 17. und 18. Jahrhundert in Nord- und Mitteleuropa revolutionierte. Ausgehend von der umfangreichen Neuausstattung des Paderborner Doms im 17. Jahrhundert durch Antwerpener Künstler aus dem direkten Rubens-Umfeld nimmt die Schau die bedeutenden Innovationen in Malerei, Architektur und Kirchenausstattung des flämisch geprägten Barock in den Blick.
Zu sehen sind rund 120 Leihgaben aus führenden internationalen Museen, darunter das Rijksmuseum Amsterdam, das Victoria and Albert Museum in London, das Museum Plantin-Moretus in Antwerpen, das Statens Museum for Kunst Kopenhagen, die Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste Wien oder das San Francisco Museum of Modern Art. Trotz der Corona-Pandemie haben nahezu alle Leihgeber ihre kostbaren Exponate nach Paderborn gesandt. Zu den Highlights der Ausstellung zählen großformatige Gemälde sowie eine Vielzahl bedeutender, von Rubens eigenhändig geschaffener Ölskizzen, Zeichnungen und Entwürfe. Ein weiterer Bereich widmet sich der Aktualität des Barock mit Arbeiten u. a. von Gerhard Richter, Tony Cragg, Hans Op de Beeck.

Auf den Spuren des flämischen Barockmeisters im Norden
Er war der Star des flämischen Hochbarock: Peter Paul Rubens (1577–1640), der in Antwerpen einer weit über die Grenzen der Metropole hinausstrahlenden Werkstatt vorstand. Die große Zahl seiner Mitarbeiter, seine geschickte Arbeitsteilung und sein diplomatisches Geschick ermöglichten es ihm, seine Bildsprache über ganz Europa zu verbreiten. Auch die beiden Brüder Antonius und Ludovicus Willemssens stammten aus Antwerpen und waren maßgeblich von Rubens beeinflusst. Sie wurden von Fürstbischof Dietrich Adolf von der Recke in der Mitte des 17. Jahrhunderts mit der barocken Neuausstattung des Paderborner Doms beauftragt und brachten so die Ideen von Rubens direkt nach Westfalen. Ihre Werke sowie die Arbeiten weiterer flämischer Künstler dokumentieren in der Ausstellung die Verbreitungs- und Erfolgsgeschichte der Kunst der südlichen Niederlande und zeigen, dass Künstlerwanderungen und Kulturtransfer ein wichtiger Motor für die Ausbreitung des Barock war.

Prachtvolle Premiere: Zerstörtes Altargemälde 75 Jahre nach Kriegsende wieder zu sehen
Die prachtvolle Barockausstattung des Paderborner Doms wurde bei Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg komplett zerstört. Einzig kleinste Fetzen der kostbaren Willemssens-Altarbilder konnten gerettet werden, darunter zahlreiche Fragmente des einstmals imposanten Hauptaltargemäldes mit der „Anbetung der Hirten“. Im Vorfeld der Rubens-Ausstellung wurden die Einzelteile aufwendig restauriert und zusammengesetzt. Pünktlich zur Eröffnung der Schau kann das barocke Meisterwerk nun – 75 Jahre nach Kriegsende – erstmals wieder in vollem Glanz gezeigt werden. Eine beeindruckende 3D-Animation zum Paderborner Dom des 17. Jahrhunderts lässt die visuelle Kraft der untergegangenen barocken Ausstattung wiederaufleben.

Meisterwerke von Rubens‘ eigener Hand
Neben den bahnbrechenden Impulsen und Innovationen, die von flämisch geprägten Barockkünstlern in der Malerei, Skulptur und Architektur des 17./18. Jahrhunderts ausgingen, zeigt die Ausstellung eine Vielzahl an authentischen, nachweislich von Rubens selbst gefertigten Werken. Ganz nah kommen die Besucher*innen dem Meister in den zahlreichen virtuosen, teilweise so noch nie gezeigten Ölskizzen und Modelli von Rubens‘ eigener Hand. Sie dokumentieren die enorme schöpferische Kraft des vielseitigen Künstlers und zeigen neben seiner Malweise den Prozess seiner Ideenentwicklung ganz unmittelbar.
Eines der größten und bedeutendsten Gemälde in der Ausstellung ist die „Beweinung Christi“ aus Wien (1612–1614, LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz-Vienna), die Rubens‘ gesamte Virtuosität in der Findung neuer Bildelemente und der malerischen Ausführung zeigt.

Auch Briefe von Rubens an Auftraggeber und Illustrationen für liturgische Bücher sind in der Ausstellung zu sehen.

Rubens als Impulsgeber für die Skulptur
Nicht nur die Malerei, auch die flämische Skulptur erlebte in der Zeit des Barock – bedingt durch die Neuausstattung zahlreicher, in den vorausgegangenen Bilderstürmen verwüsteter Kirchen – eine Hochphase. Auch hier gilt Rubens als bedeutender Impulsgeber. Er war nicht nur einer Reihe von Bildhauern freundschaftlich verbunden, sondern kooperierte teilweise eng mit ihnen. Plastische Arbeiten und Reproduktionsgrafiken von Künstlern aus dem Umfeld Rubens‘ – etwa des Artus Quellinus d. Ä. (1609 -1668) und Lucas Faydherbe (1617–1697) – veranschaulichen die Charakteristika und die Wirkmächtigkeit von Rubens‘ Œuvre.

Vom barocken Welttheater zur Aktualität des Barock
Das Thema von Zeit und Ewigkeit, von Leben und Tod sowie das Anliegen, die Zuhörer und Betrachter innerlich zu bewegen, zu berühren und zu belehren, kennzeichnen das Wesen des Barock. So leitet das „Große Welttheater“, 1655 verfasst vom spanischen Dichter Pedro Calderón de la Barca, zum letzten großen Akt der Ausstellung über: der Aktualität des Barock. In der zeitgenössischen Abteilung der Schau stehen Fragen nach barocken Wahrnehmungsweisen heute im Mittelpunkt. Gerhard Richter etwa vermeidet in seinem großformatigen Gemälde „Ausschnitt (Makart)“ (1971, Duisburg, MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Sammlung Ströher) im Unterschied zum Barock jedes schöpferische Pathos, während Tony Cragg in seiner Plastik „It is, it isn’t“ (2016, Wuppertal, Antony Cragg) den Zustand des unentschlossenen Schwebens thematisiert. Der Vorhang der Ausstellung fällt mit Hans Op de Beecks eindringlicher Videoarbeit „Celebration“ (2008, Studio Hans Op de Beeck, Brüssel), die im Bild eines großen Festmahls einen verewigten Augenblick zwischen Leben und Tod einfängt.

Öffnung für das Publikum, Führungen und digitale Vermittlungsangebote
Die Ausstellung „Peter Paul Rubens und der Barock im Norden“ ist ab dem 25. Juli unter Einhaltung der Abstands- und Hygienevorschriften für das Publikum geöffnet. Das Diözesanmuseum Paderborn bietet 60minütige Führungen durch die Schau sowie eine spezielle Familienführung für Groß und Klein an. Ein Audioguide ist in den Sprachen Deutsch und Englisch sowie für Kinder erhältlich. Darüber hinaus finden Besucher*innen unterschiedlicher Altersklassen auf der Website des Museums Videos und interaktive Mitmachangebote, die spannende Einblicke in die Vorbereitung der großen Barockausstellung geben.

Mit „RUBENS“ zeigt das Diözesanmuseum Paderborn – nach den „WUNDERN ROMs“ und „GOTIK“ – erneut eine Sonderausstellung mit herausragenden Werken und überregionaler Strahlkraft. Die Ausstellung ist die letzte große Schau unter Museumsdirektor Prof. Dr. Christoph Stiegemann, der im Herbst 2020 in den Ruhestand geht.

Ein reich bebilderter Ausstellungskatalog ist im Michael Imhof-Verlag Petersberg erhältlich (ISBN 978-3-7319-0956-9). Preis im Museum 39,50 EUR, im Buchhandel 49,95 EUR.

Hinweis an die Redaktionen:
Die ausführliche Pressemappe finden Sie hier zum Download

Bildmaterial finden Sie hier.

Aufbau der Rubens-Ausstellung: Vitrine mit Kapitell und Kopf eines Engels.

… oder wie entsteht eine Ausstellung in Zeiten der Pandemie?

Gestaltungsentwurf für die Rubens-Ausstellung 2020 im Diözesanmuseum Paderborn von ©Ludger Schwarze-Blanke

Wenn Kuratorinnen zu Krisenmanagerinnen werden. Ein Gespräch mit den Ausstellungsmacherinnen Christiane Ruhmann und Petra Koch-Lütke Westhues über Kuriere im Corona-Modus, Restaurator*innen mit Maske, komplizierte Kunsttransporte, aber auch mehr Muße für Text und Buch zur Rubens-Ausstellung.

Shutdown auf der Zielgeraden

Das Diözesanmuseum Paderborn ist bekannt für seine internationalen Themenausstellungen. Es hat gute Kontakte zu großen Museen in ganz Europa und Übersee. Man kennt und vertraut sich. Doch Corona brachte auch in den Museen eingespielte Systeme aus dem Takt. Nach gut zwei Jahren Vorbereitungszeit war das Team auf der Zielgeraden, der Umbau für „Peter Paul Rubens und der Barock im Norden“ lief bereits. Dann kam der Shutdown. Eröffnung am 29. Mai? Illusorisch. Doch man blieb ruhig. „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!“, schrieb Museumsdirektor Christoph Stiegemann optimistisch in seinem Blogbeitrag. Aber was heißt das für die praktische Museumsarbeit, für die Ausstellung, die jetzt am 25. Juli ihre Türen für Besucher öffnen wird?

Freude über kollegiale Empathie und europäische Solidarität

Petra Koch-Lütke Westhues beim vermessen des barocken Chorgitters aus dem Paderborner Dom in der Restaurierungswerkstatt. ©DiözesanmuseumPaderborn

„Die europäische Zusammenarbeit hat bei uns wunderbar funktioniert“, sagt Christiane Ruhmann. „Alle Kollegen und Kolleginnen waren hilfsbereit und verständnisvoll. Wir können fast alles wie geplant zeigen.“ Flexibilität ist trotzdem gefragt, über 70 Leihgeberinnen und Leihgeber hat Petra Koch-Lütke Westhues erneut kontaktieren müssen. „Ich hoffe, es geht Ihnen gut! Das war immer mein erster Satz und es kamen ganz viele persönliche und ermutigende Nachrichten zurück: ‚Alles in Ordnung bei uns. Ich hoffe, Ihnen und Ihren Lieben geht es auch gut. Wenn es eben möglich ist, bekommt ihr unsere Leihgaben. Wir unterstützen Euch!‘ Man hat gegenseitig mitempfunden, in dieser Form habe ich das noch nicht erlebt.“

Mit Lupe, Maske und Abstand

Die kostbaren Exponate werden auf ihrer Reise von wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen oder Restaurator/innen begleitet. Im Diözesanmuseum erwartet sie dann ein spezialisiertes Team mit Rollwagen, Hebebühne, Flaschenzug für die Großen und Schweren, weißen Handschuhen und passgenau angefertigten Vitrinen für die Kleineren und Empfindlichen. Wenn die Kunst kommt, muss jeder Handgriff sitzen. Wie wird das dieses Mal gehen, Frau Ruhmann? „Alles wie immer, nur mit Maske und zwei Metern Abstand. Der Restaurator wird jeden Zentimeter des angelieferten Objekts unter die Lupe nehmen, das Zustandsprotokoll anfertigen und alle andern müssen zurückbleiben.“ Darf Corona-bedingt kein Kurier mitreisen, werden die Paderborner zusätzlich filmen und noch intensiver fotografieren als sonst.

Expertenwissen und Fleißarbeit

Wie finden Sie eigentlich Ihre Leihgaben? „Als Kuratorin macht man zunächst ein Grobkonzept“, erklärt Christiane Ruhmann, „dabei hat man schon ein paar wichtige Exponate im Kopf. Das Grobkonzept kam für die Rubensausstellung von unserer Kollegin Karin Wermert. Wir intensivieren dann die Literatur-, Museums- und Internetrecherche, sichten Ausstellungskataloge und wenn das ausführliche Konzept steht, folgt bei uns eine Beiratssitzung“, beschreibt die Kuratorin das weitere Prozedere. „Wir haben das Glück, dass wir dazu oft Experten aus ganz Europa einladen können.“ Meistens sind neben renommierten Forschern und Wissenschaftlern auch Kollegen aus den Museen dabei, die Objekte vorschlagen, die kaum bekannt sind oder noch nie gezeigt wurden. „Das ist uns wichtig“, sagt Christiane Ruhmann, „denn wir wollen immer auch Neues, Unerwartetes zum jeweiligen Thema ausstellen.“

„Von Nagel zu Nagel“ in geheimnisvollen Kisten

Erste Kunsttransporte sind eingetroffen.
Erste Kunsttransporte sind eingetroffen. ©Diözesanmuseum Paderborn

Sind die Exponate zugesagt, wird mit den Kunsttransporteuren verhandelt, die auch über Sondergenehmigungen verfügen. „Das ist eine sehr spezialisierte Branche und die Kurierfahrzeuge brauchen eine spezielle Ausstattung und natürlich eine fachkundige Besatzung. Allerdings ohne Versicherung kein Transport – „von Nagel zu Nagel“ muss die Police gelten. Also von der Abnahme im heimischen Museum bis zum Ende der Rückreise. Durch die Verschiebung der Rubens-Ausstellung mussten alle Leih- und alle Versicherungsverträge neu verhandelt werden. Jetzt ist es geschafft und die Transportplanung in vollem Gange: Wann kommt welches Werk? Welcher Kurier ist dabei, welche Restauratoren werden gebraucht? Und dabei muss darauf geachtet werden, dass nie zu viele Menschen gleichzeitig im Museum sind.

Gute Organisation und ein bisschen Geduld

Anlieferung der Arbeit „It is, it isn’t“ von Tony Cragg, ©VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Anlieferung der Arbeit „It is, it isn’t“ von Tony Cragg, ©VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Und auf was müssen sich die Besucher/innen der Rubens-Ausstellung einstellen, Frau Ruhmann? „Maske tragen, Hände desinfizieren, persönliche Daten angeben und Abstand halten – das kennen wir ja unterdessen alle. Unser Haus hat 800 m² und so dürfen 80 Menschen gleichzeitig in die Ausstellung, Aufsichten mitgezählt. Wir haben eine Zähleinrichtung und wenn die Obergrenze erreicht ist, müssen die Leute leider warten. Ich denke, das wird ganz gut klappen, denn wir werden geführte Gruppen und Einzelbesucher trennen.“ So bleiben Dienstag- und Mittwochvormittag sowie Freitagnachmittag den Gruppen vorbehalten. „Natürlich rechnen wir mit weniger Besuchern, aber wir wollten auf keinen Fall aufgeben, nicht absagen. Kultur ist gerade jetzt wichtig.“

 

„Rubens, Baby!“ und Ölmalerei

Die Veranstaltungen und museumspädagogischen Programme zur Rubens-Ausstellung sollen so weit wie möglich stattfinden. An den speziellen Themenführungen mit Kuratoren und Restauratoren dürfen dann nur 9 bis 10 statt 20 Personen teilnehmen. Für Kurse wie den Workshop zur Ölmalerei gibt es Hygieneregeln und man hofft, dass auch ‚Rubens, Baby!‘ – das neue Angebot für junge Eltern mit Kleinkindern trotz Corona angenommen wird. „Schulklassen, für die unsere Museumspädagogin Britta Schwemke wirklich ein schönes Programm zusammengestellt hat, werden sich in diesem Jahr vermutlich erst mal selbst wieder im Unterreicht organisieren müssen und nicht an einen Museumsbesuch denken“, bedauert Christiane Ruhmann, „sollte es aber von dieser Seite doch Interesse geben, sind alle herzlich willkommen!“.

Ruhe vor dem Endspurt

Aufbau der Rubens-Ausstellung.
Aufbau der Rubens-Ausstellung: Jetzt wird aus virtueller Planung reale Raumgestaltung. ©DiözesanmuseumPaderborn

Hatte die Ausnahmesituation der letzten Monate auch etwas Positives? „Manches konnten wir mit weniger Druck angehen, die Vitrinen-Planung und die Ausstellungsgestaltung waren entspannter und wir hatten mehr Zeit für die Texte und den Katalog“, sagt Petra Koch-Lütke Westhues. Doch am Ende wird es wie immer eng, denn jeder nimmt sein Bild erst im letzten Moment vom Nagel. Alle Objekte kommen innerhalb weniger Tage an, es wird also trubelig – aber mit Abstand!“

Viel Erfolg, gute Nerven und vielen Dank für das Gespräch.

 

 

 

 

Dr. Christiane Ruhmann gehört seit 1999 als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin zum Team des Diözesanmuseums Paderborn. Sie studierte Vor- und Frühgeschichte, Geschichte und Klassische Archäologie an der Christian-Albrechts Universität Kiel und der Westfälischen Wilhelms Universität Münster, wo sie auch promovierte.

Dr. PetraKoch-Lütke Westhues kam 1996 zur Vorbereitung der im Jahr 1999 gezeigten Karolingerausstellung nach Paderborn und ist seitdem – mit Unterbrechungen – als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin am Diözesanmuseum tätig. Sie studierte Mittlere und Neuere Geschichte, Volkskunde und Kunstgeschichte an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster, wo sie auch promovierte.

Autorin: Waltraud Murauer-Ziebach

 

 

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