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Barbara Klemm und Christoph Brech im Pressegespräch zur Ausstellung „So gesehen“ im Diözesanmuseum Paderborn
Zwei außergewöhnliche Künstler:innen verwandeln das Diözesanmuseum Paderborn in einen experimentellen Erfahrungsraum

Das Vermögen, im scheinbar Alltäglichen das Besondere zu erblicken, verbunden mit einer sensiblen, teilnehmenden Sicht auf ihre Motive, ist ein herausragendes Charakteristikum der Fotografin Barbara Klemm und des Foto- und Videokünstlers Christoph Brech. Für die Ausstellung im Diözesanmuseum haben sie zahlreiche ihrer bislang wenig bekannten oder noch gänzlich unbekannten Werke ausgewählt – einige auch neu geschaffen. Ihre Arbeiten treten im Diözesanmuseum Paderborn in einen Dialog miteinander – und mit den Exponaten des Museums. Dieses Zusammenspiel zwischen Fotografie, Videokunst und historischen Kunstwerken zeigt das Diözesanmuseum Paderborn vom 21. Mai bis zum 9. Oktober 2022 in der Sonderausstellung „SO GESEHEN – Barbara Klemm · Christoph Brech“.

Barbara Klemm, eine der bedeutendsten zeitgenössischen Fotografinnen Deutschlands, ist bekannt durch Schwarz-Weiß-Fotografien, die im Bildgedächtnis vieler verankert sind. Sie arbeitet grundsätzlich analog und in kleinformatigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen (30 x 40 cm). Nun trifft sie auf Christoph Brech, dessen digitale Bild- und Video-Kunst großformatig und von ausgewogener Farbigkeit ist sowie von subversiven Sounds begleitet wird. In Paderborn nutzen beide die offenen und nach oben aufstrebenden Galerien des musealen Großraumes zu einem furiosen Dialog ihrer Werke, gegliedert nach „Gesprächsthemen“ wie Inspiration, Fragment, Menschen im Museum oder auch Letzte Bilder und Hortus.

Neue Perspektiven

Barbara Klemm ist vielen als die Grande Dame der politischen und gesellschaftlichen Fotografie vertraut. Jahrzehntelang hat sie für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) das Weltgeschehen mit der Kamera eingefangen. Auch ihre sensiblen Aufnahmen von Menschen in aller Welt sind durch zahlreiche Ausstellungen bekannt. In Paderborn aber richtet sie ihren unverwechselbaren Blick auf Skulpturen und Skulpturenfragmente, auf Menschen im Museum, Friedhöfe oder Landschaften und antwortet damit auf Christoph Brechs detailreiche, oft hintergründige Bildkompositionen – meist in überraschendem Gleichklang, mitunter jedoch auch in faszinierendem Kontrast. Christoph Brech begibt sich für diesen Dialog auch mal ins kleine Format oder auf das Gebiet der Grafik. Im Blick der beiden Künstler erweitert sich auch die Wahrnehmung der ausgewählten Exponate des Diözesanmuseums um neue Perspektiven und Bedeutungen.

Und so treffen in der Ausstellung zarte schwarz-weiße Wolkenstudien und Dirigentenportraits auf raumhohe Videos, die zeigen, wie sich feine Lichtbündel zu Klangwolken formen. Da turnen Trapezkünstlerinnen nicht nur vor der zerstörten Ruinenkulisse Rostocks, sondern auch inmitten güldener Engel, die ihrerseits im 18. Jahrhundert in einem Gestänge über einem barocken Festaltar aufgehängt waren. Monde schimmern entrückt über Wellen und Wolken am Horizont, wandern von Amseln vertont als Blutmond über den nächtlichen Himmel oder verwandeln sich in eine Mondsichelmadonna aus der Zeit der späten Gotik. Die Besucher:innen sehen Dialoge zwischen zerstörten Skulpturen aus dem Albertinum in Dresden nach dem Hochwasser 2002 mit Fragmenten aus den Vatikanischen Museen in Rom, dem Gewölbe des Neuen Museums in Berlin mit der Metropolitan Cathedral in Liverpool oder Aufnahmen von dem kolossalen Fuß Kaiser Konstantins aus den Kapitolinischen Museen in Rom – von Barbara Klemm so, von Christoph Brech so gesehen.

Begleitprogramm zur Ausstellung

Die Ausstellung wird von einem museumspädagogischen Angebot begleitet: Neben Führungen für Erwachsene, Familien, Jugendliche, Kinder und Schulklassen stehen kreative Fotokurse für Jung und Alt auf dem Programm. Die beliebte Reihe „Dialoge im Museum“ wird unter dem Titel „Rück-Sichten: Inspiration – Natur – Medium“ weitergeführt. Auf die Kleinen warten die neugierige Handpuppe Amadeus und seine Freundin, die Theaterpädagogin Luisa Roensch. Sie zeigen Kita-Kindern ihre liebsten Fotos, Videos und Skulpturen in der Ausstellung. Unter dem Titel „So gesehen, Baby!“ haben Eltern mit ihren Babys unter einem Jahr die Ausstellung bei Kurzführungen ganz für sich allein.

 

Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog im Hirmer Verlag
SO GESEHEN – Barbara Klemm · Christoph Brech, Hg. Holger Kempkens, Christiane Ruhmann, Beiträge u.a. von Hans von Trotha, 240 Seiten, 160 Abbildungen, 23×29 cm, Klappenbroschur, hochwertiges Kunstdruckpapier, ISBN: 978-3-7774-3942-6

Zwei außergewöhnliche Künstler:innen verwandeln das Diözesanmuseum Paderborn in einen experimentellen Erfahrungsraum

PADERBORN. Das Vermögen, im scheinbar Alltäglichen das Besondere zu erblicken, verbunden mit einer sensiblen, teilnehmenden Sicht auf ihre Motive, ist ein herausragendes Charakteristikum der Fotografin Barbara Klemm und des Foto- und Videokünstlers Christoph Brech. Für die Ausstellung im Diözesanmuseum haben sie zahlreiche ihrer bislang wenig bekannten oder noch gänzlich unbekannten Werke ausgewählt – einige auch neu geschaffen. Ihre Arbeiten treten im Diözesanmuseum Paderborn in einen Dialog miteinander – und mit den Exponaten des Museums. Dieses Zusammenspiel zwischen Fotografie, Videokunst und historischen Kunstwerken zeigt das Diözesanmuseum Paderborn vom 21. Mai bis zum 9. Oktober 2022 in der Sonderausstellung „SO GESEHEN – Barbara Klemm · Christoph Brech“.

 

Barbara Klemm, eine der bedeutendsten zeitgenössischen Fotografinnen Deutschlands, ist bekannt durch Schwarz-Weiß-Fotografien, die im Bildgedächtnis vieler verankert sind. Sie arbeitet grundsätzlich analog und in kleinformatigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen (30 x 40 cm). Nun trifft sie auf Christoph Brech, dessen digitale Bild- und Video-Kunst großformatig und von ausgewogener Farbigkeit ist sowie von subversiven Sounds begleitet wird. In Paderborn nutzen beide die offenen und nach oben aufstrebenden Galerien des musealen Großraumes zu einem furiosen Dialog ihrer Werke, gegliedert nach „Gesprächsthemen“ wie Inspiration, Fragment, Menschen im Museum oder auch Letzte Bilder und Hortus.

Neue Perspektiven

Barbara Klemm ist vielen als die Grand Dame der politischen und gesellschaftlichen Fotografie vertraut. Jahrzehntelang hat sie für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) das Weltgeschehen mit der Kamera eingefangen. Auch ihre sensiblen Aufnahmen von Menschen in aller Welt sind durch zahlreiche Ausstellungen bekannt. In Paderborn aber richtet sie ihren unverwechselbaren Blick auf Skulpturen und Skulpturenfragmente, auf Menschen im Museum, Friedhöfe oder Landschaften und antwortet damit auf Christoph Brechs detailreiche, oft hintergründige Bildkompositionen – meist in überraschendem Gleichklang, mitunter jedoch auch in faszinierendem Kontrast. Christoph Brech begibt sich für diesen Dialog auch mal ins kleine Format oder auf das Gebiet der Grafik. Im Blick der beiden Künstler erweitert sich auch die Wahrnehmung der ausgewählten Exponate des Diözesanmuseums um neue Perspektiven und Bedeutungen.

Und so treffen in der Ausstellung zarte schwarz-weiße Wolkenstudien und Dirigentenportraits auf raumhohe Videos, die zeigen, wie sich feine Lichtbündel zu Klangwolken formen. Da turnen Trapezkünstlerinnen nicht nur vor der zerstörten Ruinenkulisse Rostocks, sondern auch inmitten güldener Engel, die ihrerseits im 18. Jahrhundert in einem Gestänge über einem barocken Festaltar aufgehängt waren. Monde schimmern entrückt über Wellen und Wolken am Horizont, wandern von Amseln vertont als Blutmond über den nächtlichen Himmel oder verwandeln sich in eine Mondsichelmadonna aus der Zeit der späten Gotik. Die Besucher:innen sehen Dialoge zwischen zerstörten Skulpturen aus dem Albertinum in Dresden nach dem Hochwasser 2002 mit Fragmenten aus den Vatikanischen Museen in Rom, dem Gewölbe des Neuen Museums in Berlin mit der Metropolitan Cathedral in Liverpool oder Aufnahmen von dem kolossalen Fuß Kaiser Konstantins aus den Kapitolinischen Museen in Rom – von Barbara Klemm so, von Christoph Brech so gesehen.

Begleitprogramm zur Ausstellung

Die Ausstellung wird von einem museumspädagogischen Angebot begleitet: Neben Führungen für Erwachsene, Familien, Jugendliche, Kinder und Schulklassen stehen kreative Fotokurse für Jung und Alt auf dem Programm. Die beliebte Reihe „Dialoge im Museum“ wird unter dem Titel „Rück-Sichten: Inspiration – Natur – Medium“ weitergeführt.

Auf die Kleinen warten die neugierige Handpuppe Amadeus und seine Freundin, die Theaterpädagogin Luisa Roensch. Sie zeigen Kita-Kindern ihre liebsten Fotos, Videos und Skulpturen in der Ausstellung. Unter dem Titel „So gesehen, Baby!“ haben Eltern mit ihren Babys unter einem Jahr die Ausstellung bei Kurzführungen ganz für sich allein.

Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog im Hirmer Verlag
SO GESEHEN – Barbara Klemm · Christoph Brech, Hg. Holger Kempkens, Christiane Ruhmann, Beiträge u.a. von Hans von Trotha, 240 Seiten, 160 Abbildungen, 23×29 cm, Klappenbroschur, hochwertiges Kunstdruckpapier, ISBN: 978-3-7774-3942-6

 

Bildmaterial finden Sie hier:

Pressefotos-PK-19Mai2022 – Google Drive

/pressebilder-so-gesehen-klemm-brech/

Ob mit Krone oder auf einer Mondsichel, meist mit Jesuskind, manchmal mit ihrer Mutter: Die Gottesmutter Maria ist eine der meistabgebildeten Personen der Kunstgeschichte. Wir stellen einige Darstellungen vor.

Mal umgibt sie ein Strahlenkranz, mal schwebt sie auf einer Wolke. Es gibt sie mit Krone und im blauen Gewand. Mit Jesuskind auf dem Arm oder beim Lesen-Lernen: In der christlichen Kunst ist niemand so häufig abgebildet worden wie die Gottesmutter Maria. Die Fülle an Werken allein im Erzbistum Paderborn ist unüberschaubar. Deshalb hier stellvertretend eine Auswahl bedeutender oder besonderer Mariendarstellungen aus dem Erzbischöflichen Diözesanmuseum Paderborn.

Die Verkündigung

 

Der Engel schlägt mitten in Marias Alltag ein. Vor ihr liegt ein Weidenkorb mit einem Tuch darin, vielleicht eine Stickarbeit. Hinter der jungen Frau sind Tisch und Bücher angedeutet, die auf ihre religiöse Bildung hinweisen. Doch alles Irdische scheint bei dieser Verkündigung (Lk 1,26-38) keine Rolle zu spielen. Das verdeutlicht der Paderborner Maler Anton Joseph Stratmann (1734-1807), indem er eine aufsteigende Diagonale das Bild dominieren lässt: Die Blickachse zwischen Maria und dem Engel, die in dem ausgestreckten Arm Gabriels ihre Verlängerung findet. Die Komposition lenkt den Blick der betrachtenden Person unweigerlich nach oben, auf den durch die Taube symbolisierten Heiligen Geist.

 

Maria ist hier im Stile der Immaculata (dt.: Unbefleckte) dargestellt. Nach einer Vision der heiligen Beatriz da Silva wird Maria als Immaculata in einer weißen Tunika und blauem Mantel dargestellt. Das Weiß steht für Reinheit und Unschuld, das Blau ist dem Himmel und Maria zugeordnet. Eine Besonderheit ist, dass die Maria Immaculata zumeist ohne Jesusknaben auftritt. Für Stratmanns Verkündigung ist das nur logisch, da sie den Gottessohn ja noch nicht geboren hat – für Mariendarstellungen allgemein bis dato aber durchaus ungewöhnlich. In der Zeit des Barock findet dieser neue Typus weite Verbreitung und etabliert sich nicht zuletzt in den künstlerischen Darstellungen der Marienerscheinungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts vollends.

Verkündigung Mariens, Anton Joseph Stratmann, 1785, Öl auf Leinwand
Kasel mit der Darstellung der Heimsuchung Mariens, Entwurf Hildegard Domizlaff (?); Ausführung Helen Wiehen, verheiratete Laschinsky, Köln (?), 1948 Seide; Stickerei

Heimsuchung Mariens

 

Diese Darstellung der Heimsuchung Mariens findet sich als eine Szene auf dem Mittelstück einer cremefarbenen Kasel, die 1948 vermutlich nach einem Entwurf der Kölner Bildhauerin Hildegard Domizlaff (1898-1987) angefertigt wurde.

 

Die einfache Szene zeigt in lebhafter Farbigkeit, wie sich die beiden Frauen zur Begrüßung umarmen. Maria – selbst schwanger – besucht ihre Verwandte Elisabet, die in vorgerücktem Alter zum ersten Mal schwanger geworden ist und Hilfe benötigt. Der Evangelist Lukas schreibt, dass Maria drei ganze Monate bei Elisabet verbringt, bevor sie nach Hause zurückkehrt (Lk 1,39-56).

Die Imad-Madonna

 

Wenn es um Darstellungen Mariens in der Kunst geht, kommt man im Erzbistum Paderborn an einer nicht vorbei: Die thronende Madonna des Paderborner Domes, nach ihrem Stifter Imad-Madonna genannt.

 

Nach der Goldenen Madonna im Essener Münster (um 980) und der großen Goldenen Madonna aus dem Hildesheimer Dom (1010-1015) ist sie die drittälteste vollplastische Mariendarstellung der Welt. Der Paderborner Bischof Imad (um 1000-1076) hatte die Statue kurz nach seinem Amtsantritt in Auftrag gegeben. Sie wurde zwischen 1051 und 1058 aus einem einzigen Stück Lindenholz geschaffen.

 

Die Essener und Hildesheimer Madonnen sind mit Goldblech überzogen. Für die deutlich größere Imad-Madonna war das ursprünglich nicht vorgesehen. Zur Zeit ihrer Entstehung war die gestaltete Form wichtiger geworden als der Glanz des wertvollen Metalls. Damals bemalt, heute holzsichtig, ist sie mit ihren klaren und schlichten Formen von archaischer Schönheit.

 

Dennoch bekam die Paderborner Skulptur schon ein paar Jahre nach ihrer Fertigstellung eine Goldverkleidung. Denn im Jahr 1058 verheerte ein großer Brand Stadt und Kirche von Paderborn. Auch die Imad-Madonna wurde schwer beschädigt. Deshalb stiftete Bischof Imad fünf Pfund Gold und Edelsteine für eine Verkleidung, die die Schäden kaschieren sollte. 1762 wurde die Ummantelung abgenommen und eingeschmolzen, um Kriegskontributionen zahlen zu können. Im 19. Jahrhundert ausgebessert und übermalt, wurde sie 1968 bis 1970 umfassend restauriert – wobei man Spuren ihrer ursprünglichen Bemalung entdeckte.

 

Imad-Madonna, Nordwestdeutschland, zwischen 1051 und 1058 Lindenholz, ursprünglich polychrom gefasst, später mit vergoldeten Kupferblechen überzogen

An der Imad-Madonna lässt sich gut verdeutlichen, wie die abendländische Kunst von etablierten Darstellungsweisen aus Byzanz beeinflusst wurde – diese dann aber weiterentwickelte und neue Formen fand. In der Figur klingt der Typus der Sedes Sapientiae (dt.: Sitz der Weisheit) an. Die Gottesmutter sitzt auf einem Thron, fungiert aber gleichzeitig als menschlicher Thron für den Jesusknaben, der die Weisheit personifiziert.

 

Ein weiterer byzantinischer Typus ist der der Hodegetria (dt.: Wegweiserin), bei der die Gottesmutter ihr Kind seitlich auf dem Arm hält, für den Betrachter erscheint Jesus im Profil – wie bei der Imad-Madonna. In Byzanz finden sich diese Typen in unzähligen Ikonen, Mosaiken und Reliefs. Die Essener, Hildesheimer und Paderborner Madonnen sind die ersten, bei denen diese Typen in vollplastische, also vollständig von einem Grund abgelöste Skulpturen übersetzt werden.

Die Beweinung

 

Das Motiv der Beweinung Christi wird in den kanonischen Evangelien nicht beschrieben, die Künstler Hans und Martin Caldenbach zeigen mit ihrer um 1503 entstandenen Darstellung, wie sich die Szene in ihrer Vorstellung trotzdem in die biblisch erzählte Passionsgeschichte einfügen könnte: Rechts oben im Hintergrund sieht man die drei Kreuze auf Golgatha stehen. Während die beiden Schächer noch hängen, lehnt am mittleren Kreuz eine Leiter. Von links tritt der prächtig gekleidete Josef von Arimathäa ins Bild, der Jesu Leichnam begraben möchte. Hinter ihm sieht man das Felsengrab.

 

In diesem Kontext spielt sich die Beweinung ab. Maria Kleophas und Maria Magdalena beugen sich über den leblosen Körper, Maria Salome steht betend hinter ihnen. Die Gottesmutter sitzt rechts. Ohnmächtig hat sie den Prozess und die Hinrichtung ihres Sohnes mitansehen müssen, nun ist sie kraftlos zu Boden gesunken und wird von Johannes gestützt. Dass sie mit ihrem Sohn mitgelitten hat, spiegelt sich in der Körpersprache der beiden Figuren: Genau wie der linke Arm des an ihren Knien lehnenden Leichnams Jesu, hängt auch Marias linker Arm mit nach innen verkrümmter Hand an ihr herab.

Beweinung Christi, Hans und Martin Caldenbach, gen. Heß, Frankfurt um 1503/1504, Öl auf Holz
Flucht nach Ägypten, Josef Rikus (1923-1989), 1947/1948, Ulmenholz, blau bemalt

Flucht nach Ägypten

 

Diese Darstellung hat wieder biblischen Bezug. Der Evangelist Matthäus erzählt, wie Josef mit seiner Familie nach Ägypten flieht, um dem von König Herodes befohlenen Kindermord in Bethlehem zu entgehen (Mt 2,13-15). Der Paderborner Bildhauer Josef Rikus (1923-1989) hat sich des Themas im ersten Jahr seines Kunststudiums in München 1947 angenommen. Dort hatte ihn die Kunstauffassung seines Lehrers Karl Knappe (1884-1970) nachhaltig beeinflusst, nach der sich nicht das Material der Idee unterzuordnen hatte, sondern die Idee für ein Kunstwerk so in das Material eingebracht werden sollte, dass dieses in seinem Wesen erhalten bliebe.

 

Was das konkret bedeuten kann, sieht man an Rikus‘ Flucht nach Ägypten: Der Künstler respektiert die Rundung des gewachsenen Holzes und gräbt seine Figuren quasi in den Stamm hinein. Die Figuren selbst stehen isoliert von ihrer Umgebung, sie sind fragile Geschöpfe. Das Christuskind in den Armen Marias ist gerade so als kleiner Mensch zu erkennen – seine Göttlichkeit spielt keine sichtbare Rolle. Damit wird die Heilige Familie zum Sinnbild für das Ausgesetzt-Sein und die Verletzlichkeit des Menschen an sich. Ob derzeit real auf der Flucht oder bloß metaphorisch: Der Mensch ist unterwegs und heimatlos. Auf Erden bleibt er Gast.

Anna Selbdritt und Emerentia Selbviert

 

Diese Personengruppen sind eine Seltenheit: Im Verlaufe des Mittelalters erfreuten sich Legenden über Marias Kindheit und ihre Mutter Anna großer Beliebtheit. Auch wenn es keine biblische Grundlage für sie gab, wurde Anna zu einer wichtigen Heiligen. Das sieht man auch in der Kunst. Hier entwickelte sich die Darstellung der Heiligen Sippe und der Anna Selbdritt. Letztere zeigt Maria mit dem Jesuskind zusammen mit Anna. Bei der um das Jahr 1510 gefertigten Skulptur im Diözesanmuseum kommt sogar noch eine vierte Figur hinzu: Emerentia, die ebenso legendenhafte Mutter Annas, Großmutter der Gottesmutter. Das macht die Figur zur seltenen Emerentia Selbviert.

 

Emerentia überragt ihre Tochter und Enkelin und schaut die betrachtende Person direkt an. Ihre Hände haben sich leider nicht erhalten, aber es wird vermutet, dass Emerentia sie schützend um ihre Verwandten gelegt hat. Anna und Maria sitzen vor ihr und wenden sich dem – leider verlorenen – Jesusknaben zu, der das Zentrum der Darstellung bildet. Die Skulptur der Anna Selbviert betont die weibliche Ahnenreihe Jesu und macht eine heilsgeschichtliche Aussage: In dieser Familie ist Gott Mensch geworden, mit ihr beginnt eine neue Menschheit.

Emerentia Selbviert aus Badersleben, Thüringen oder Sachsen, um 1510, Eichenholz, Lindenholz, farbig gefasst

Das steht so aber nicht in der Bibel?!

 

In den vier kanonischen, also von der Kirche anerkannten, Evangelien werden einige Szenen beschrieben, in denen Maria eine Rolle spielt. Etwa die Verkündigung, die Geburt in Bethlehem, die Heimsuchung oder die Hochzeit zu Kana. Von einer thronenden Madonna, die in der Kunst des Mittelalters den wichtigsten Typus für Mariendarstellungen war, liest man da jedoch nichts.

 

Darstellungen wie die Imad-Madonna und später die Beweinung Christi, die Pietà oder die Himmelfahrt Mariens sind unter anderem aus diesen drei Gründen entstanden:

 

  • Die Apokryphen (von der Kirche nicht als authentisch anerkannte Schriften über Jesus und Maria) und Marienlegenden erfreuten sich großer Beliebtheit und beeinflussten die Kunst, zum Beispiel in der Darstellung der Weihnachtskrippe
  • In der abendländischen Kunst befreite sich das Bild nach und nach von einer rein das Wort illustrierenden Funktion. Künstlerinnen und Künstler konnten Szenen und Typen nach eigenen kreativen Vorstellungen entwickeln
  • Der Zeitgeschmack der Auftraggeber oder theologische Entwicklungen machten neue Typen notwendig

Deshalb gibt es in der Kunst neben den biblisch belegten auch autonome Mariendarstellungen. Teilweise sind sie stark von den Vorstellungen ihrer Entstehungszeit geprägt, nichtsdestotrotz vermögen es viele damals wie heute die betrachtende Person anzurühren.

Warum trägt Maria Blau?

 

An Marienfesten wehen sie von Kirchtürmen: Fahnen in Weiß und Blau. Insbesondere Blau gilt als Farbe der Gottesmutter – aber warum eigentlich? Seit der Antike wurde Maria wie Christus in purpurroten Gewändern dargestellt. Die besondere Kostbarkeit dieser Farbe unterstrich die Bedeutung der beiden.

 

Aus einem ähnlichen Grund könnte Blau zur Marienfarbe geworden sein. Um den Farbton Ultramarinblau herzustellen, benötigte man den Halbedelstein Lapislazuli. Der kommt nur in Persien und im Hindukusch vor, legte also einen weiten Weg bis auf die Paletten der Künstlerinnen und Künstler zurück – und war dementsprechend teuer.

 

Neben der Kostbarkeit des Blautons könnte seine symbolische Bedeutung eine Rolle spielen: Blau ist die Farbe des Himmels. Am Ende ihres Lebens ist Maria leibhaftig in den Himmel aufgenommen worden. In einen blauen Mantel gehüllt, verbindet sie so auch in der Kunst Himmel und Erde, Irdisches und Göttliches.

 

Lange Zeit wurde Maria dann in der Farbkombination Rot und Blau dargestellt. Ihr Gewand war meist rot, darüber trug sie einen Mantel oder Schleier in Blau. Ein berühmtes Beispiel dafür ist die Darstellung „Flucht nach Ägypten“ um 1410–1420 aus der Sammlung des Diözesanmuseums.

 

Im 17. Jahrhundert etabliert sich der Typus der Maria Immaculata. Nach der Vision der heiligen Beatriz da Silva trägt Maria unter dem blauen Mantel eine weiße Tunika – Symbol ihrer Unschuld und Reinheit. Mit der großen Verehrung Mariens als Himmelskönigin in der Zeit des Barock und durch die künstlerischen Darstellungen der Marienerscheinungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts finden Blau und Weiß ihren Weg als Marienfarben bis an die Kirchtürme unserer Tage.

Flucht nach Ägypten, Umkreis des Konrad von Soest und des Fröndenberger Meisters, um 1410-1420. Tempra und Ölmalerei auf Leinwand, auf erneuerte Holztafel aufgezogen

Autor: Cornelius Stiegemann

Dieser Artikel erschien zuerst auf der Homepage des Erzbistums Paderborn

Abbildungen: © Diözesanmuseum Paderborn / Ansgar Hoffmann, Schlangen

Einladung zur Pressekonferenz und -Preview
Donnerstag, 19. Mai 2022, 11:00 Uhr

SO GESEHEN – Barbara Klemm ∙ Christoph Brech
Ausstellung vom 21. Mai bis 9. Oktober 2022

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

zwei außergewöhnliche Künstler:innen verwandeln das Diözesanmuseum Paderborn ab dem 21. Mai 2022 in einen experimentellen Erfahrungsraum: Die renommierte Fotografin Barbara Klemm, deren „Bruderkuss“ von 1979 heute eine Ikone ist und die grundsätzlich analog und in kleinformatigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen arbeitet, sowie Christoph Brech, dessen digitale Bild- und Video-Kunst großformatig sowie von ausgewogener Farbigkeit ist und oft von subversiven Sounds begleitet wird.

Im Diözesanmuseum Paderborn nutzen beide Künstler:innen die offenen und nach oben aufstrebenden Galerien des musealen Großraumes für einen furiosen Dialog ihrer Werke. Auch ausgewählte Sammlungsstücke des Museums werden einbezogen und lassen einen faszinierenden Dreiklang entstehen.

Gerne möchten wir Ihnen die Ausstellung vorstellen und laden Sie herzlich ein zu Pressekonferenz und -Preview

am Donnerstag, 19. Mai 2022
um 11:00 Uhr
in das Foyer des Erzbischöflichen Generalvikariats, Domplatz 3, 33098 Paderborn


Zum Gespräch stehen Ihnen zur Verfügung:

Barbara Klemm, Fotografin
Christoph Brech, Foto- und Videokünstler

Prälat Thomas Dornseifer, Stellvertretender Generalvikar, Erzbistum Paderborn
Dr. Holger Kempkens, Direktor Erzbischöfliches Diözesanmuseum Paderborn
Dr. Christiane Ruhmann, Kuratorin der Ausstellung

Im Anschluss wird es einen geführten Rundgang durch die Ausstellung geben.

Weitere Informationen: www.dioezesanmuseum-paderborn.de/sogesehen

Akkreditierung / Interview
Bitte geben Sie uns bis zum 13. Mai 2022 eine Rückmeldung, ob Sie an dem Termin teilnehmen und/oder ein Interview führen möchten unter: presse@projekt2508.de

Wir freuen uns auf Ihr Kommen!
Mit freundlichen
Mirjam Flender
Pressebüro Diözesanmuseum Paderborn
c/o projekt2508 GmbH
+49 228 184967 24, presse@projekt2508.de

Zwei außergewöhnliche Künstler:innen verwandeln das Diözesanmuseum Paderborn in einen experimentellen Erfahrungsraum

 

Zarte Wolkenstudien und Dirigentenportraits treffen auf raumhohe Videos, in denen sich feine Lichtbündel zu Klangwolken formen. Trapezkünstlerinnen turnen vor der Ruinenkulisse Rostocks und zugleich zwischen den güldenen Engeln eines barocken Festaltares. Monde schimmern über Wellen und Wolken am Horizont, wandern von Amselstimmen begleitet über den nächtlichen Himmel oder verwandeln sich in eine Mondsichelmadonna aus der Zeit der späten Gotik. Dieses Zusammenspiel zwischen Fotografie, Videokunst und historischen Schätzen der eigenen Sammlung zeigt das Diözesanmuseum Paderborn vom 21. Mai bis zum 9. Oktober 2022 in der Sonderausstellung „SO GESEHEN – Barbara Klemm · Christoph Brech“.

 

Kontrast und Dialog
Der Kontrast könnte kaum größer sein: Barbara Klemm, deren „Bruderkuss“ von 1979 heute eine Ikone ist, arbeitet grundsätzlich analog und in kleinformatigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen im Format 30 x 40 cm. Christoph Brechs digitale Bild- und Video-Kunst ist dagegen großformatig, von ausgewogener Farbigkeit und begleitet von subversiven Sounds. In Paderborn nutzen beide die offenen und nach oben aufstrebenden Galerien des musealen Großraumes zu einem furiosen Dialog ihrer Werke. Auch ausgewählte Sammlungsstücke des Museums werden mit einbezogen und lassen einen faszinierenden Dreiklang entstehen.

 

Das Verborgene sichtbar machen
Beide Künstler haben für ihren Paderborner Dialog besondere Werke ausgewählt und auch neue geschaffen. Barbara Klemm ist vielen als die Grand Dame der politischen und gesellschaftlichen Fotografie vertraut. Jahrzehntelang hat sie für die FAZ das Weltgeschehen mit der Kamera eingefangen. Auch ihre sensiblen Aufnahmen von Menschen in aller Welt sind durch zahlreiche Ausstellungen bekannt. In Paderborn aber richtet sie ihren unverwechselbaren Blick auf Skulpturen und Skulpturenfragmente, auf Menschen im Museum, Friedhöfe oder Landschaften und antwortet damit auf Christoph Brechs detailreiche, oft hintergründige Bildkompositionen – meist in überraschendem Gleichklang, mitunter jedoch auch in faszinierendem Kontrast. Brech begibt sich für diesen Dialog auch mal ins kleine Format oder auf das Gebiet der Grafik. Im Blick der beiden Künstler erweitert sich auch die Wahrnehmung der ausgewählten Exponate des Diözesanmuseums um neue Perspektiven und Bedeutungen.

 

Freuen sich auf die Ausstellung und zahlreiche Gästeführungen: Karl Heinz Schäfer (rechts), Geschäftsführer der Tourist Information Paderborn, und Dr. Holger Kempkens (links), Direktor des Diözesanmuseums.
Tourist Information Paderborn übernimmt Vermittlung von Führungen für die neue Sonderausstellung „SO GESEHEN“ im Diözesanmuseum

Ab dem 21. Mai 2022 verwandeln die Fotografin Barbara Klemm und der Künstler Christoph Brech in der Ausstellung „SO GESEHEN“ das Diözesanmuseum Paderborn in einen experimentellen Erfahrungsraum. Bei der Vermittlung von Führungen durch die neue Sonderausstellung wird das Museum durch die Tourist Information Paderborn unterstützt. Dabei handelt es sich um eine bewährte Kooperation: Bei allen großen Ausstellungen der letzten Jahre – von den „Wundern Roms im Blick des Nordens“ über „Die Baukunst der Gotik“ oder zuletzt „Peter Paul Rubens und der Barock im Norden“ – waren die Tourismus-Experten in puncto Führungen stets an der Seite des Diözesanmuseums. Nun freuen sich Dr. Holger Kempkens, Direktor des Diözesanmuseums, und Karl Heinz Schäfer, Geschäftsführer der Tourist Information Paderborn, über die erneute Zusammenarbeit und hoffen auf zahlreiche Buchungen.

„Mit seinen Ausstellungen überregionaler Strahlkraft ist das Diözesanmuseum Paderborn ein beständiges Highlight der Kulturszene Paderborns. Darum freuen wir uns sehr, die Arbeit des Hauses erneut unterstützen zu können“, betont Paderborns Tourismusleiter Schäfer. „Für uns ist es eine große Erleichterung, die organisatorische Kompetenz der Tourist Information bei der Vermittlung von Führungen und auch der Beratung der Besucherinnen und Besucher an unserer Seite zu wissen“, freut sich Museums-Chef Kempkens.

 

Buchung von Führungen zur Sonderausstellung „SO GESEHEN“ sind ab sofort möglich über die
Tourist Information Paderborn
Marienplatz 2a
33098 Paderborn
Telefon 05251 88-12980
tourist-info@paderborn.de
www.paderborn.de/tourismus 

Die Ausstellung: SO GESEHEN

Zwei außergewöhnliche Künstler*innen im Diözesanmuseum Paderborn: Barbara Klemm ist eine der bedeutendsten zeitgenössischen Fotograf*innen Deutschlands. Sie ist bekannt durch minutiös entwickelte, analoge Schwarz-Weiß-Fotografien, die im Bildgedächtnis Deutschlands mittlerweile fest verankert sind. Christoph Brech schafft Video-Filme, Installationen und Farbfotografien von suggestiver Bildkraft, oft begleitet von eigenständigen Sounds. In seinen Werken spiegeln sich Phänomene der Zeit, der Übergänge, der Erinnerung wider. In Paderborn nutzen beide die in großer Geste aufstrebenden Galerien des musealen Großraumes zu einem furiosen Dialog ihrer Werke. Auch ausgewählte Sammlungsstücke des Museums werden in diesen künstlerischen Austausch mit einbezogen.

 

© Thomas Throenle / Erzbistum Paderborn

Das neue Banner zur Ausstellung „So gesehen – Barbara Klemm · Christoph Brech“ hängt !

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