Die Ausbreitung des Christentums in Europa war Thema der großen kunst- und kulturhistorischen Ausstellung „CREDO – Christianisierung Europas im Mittelalter“, die vom 26. Juli bis 3. November 2013 in drei Paderborner Museen – dem Diözesanmuseum, dem Museum in der Kaiserpfalz und der Städtischen Galerie am Abdinghof – gezeigt wurde. Rund 800 hochkarätige und teils noch nie ausgestellte Exponate aus internationalen Museen sowie archäologische Neufunde dokumentierten diesen rund 1000 Jahre umfassenden Prozess und seine Rezeptionsgeschichte in späteren Jahrhunderten.
Die Ausstellung stand unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Joachim Gauck und wurde gemeinsam von der Stadt Paderborn, dem Erzbistum Paderborn und dem Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) realisiert. Nach den erfolgreichen Mittelalterausstellungen „Kunst und Kultur der Karolingerzeit“ und „Canossa – Erschütterung der Welt“ war dies das dritte gemeinsame Ausstellungsprojekt von überregionaler Strahlkraft.
Die Christianisierung wurde den Besucherinnen und Besuchern keineswegs als eindimensionaler Vorgang vor Augen geführt, sondern als dynamischer Prozess präsentiert, der sich in den einzelnen Regionen Europas auf ganz unterschiedliche Weise vollzog – begleitet von Erfolgen, aber auch herben Rückschlägen für die Menschen, die den Glauben verbreiteten und empfingen. Der friedlichen Glaubensverbreitung zahlreicher Missionare standen kriegerische Expansions- und Missionsinitiativen von Herrschern wie Karl dem Großen gegenüber. Zudem warf die Ausstellung einen Blick auf die Neuzeit und fragte, welche Rolle die Geschichte der Christianisierung etwa zur Zeit der sich bildenden Nationalstaaten spielte.
230 Museen, Bibliotheken und Sammlungen aus ganz Europa – von Island über Italien bis in die Ukraine – und den USA stellten den Paderborner Museen ihre kostbaren Leihgaben zur Verfügung: einer der größten Schätze des frühen Christentums, ein Brief des Apostels Paulus an die Römer, aus der Chester Beatty Library in Dublin war ebenso zu sehen wie das nur selten verliehene „Petersburger Evangeliar“ aus der Russischen Nationalbibliothek. Ausgestellt waren zudem das berühmte „Karlsepos“, ein zeitgenössischer Bericht über das wichtige Treffen zwischen Karl dem Großen und Papst Leo III. im Jahr 799 in Paderborn (Zentralbibliothek Zürich) sowie Schatzkunst aus dem Kunsthistorischen Museum Wien und dem Kirchenschatz von San Marco in Venedig. Auch das Historische Nationalmuseum der Ukraine in Kiew und das Schloss und Museum Marienburg (Polen) liehen wertvolle, bisher noch nie im westlichen Europa gezeigte Exponate aus, darunter kostbarer byzantinischer Schmuck und Ausstattungsgegenstände der ehemaligen Hauptresidenz des Hochmeisters des Deutschen Ordens.
Hervorzuheben sind auch die in jüngerer Zeit entdeckten archäologischen Funde, die ein neues Licht auf die Übergänge zum Christentum werfen. Sie gewährten seltene Einblicke in die Glaubensvorstellungen der Menschen, bevor sie mit dem Christentum in Verbindung kamen. Hierzu zählt das 2003 entdeckte angelsächsische Fürstengrab des sogenannten „Prinzen von Prittlewell“ (um 700), bei dem es sich um eine der bedeutendsten archäologischen Ausgrabungen der letzten Jahre handelt. Erstmals wurden die aufwendig restaurierten Funde aus dem Museum in Southend-on-See (Essex) in der Paderborner Ausstellung außerhalb Englands gezeigt und die Grabkammer des Fürsten rekonstruiert – eine Präsentation, die so bisher noch nie zu sehen war.
Der umfassende Prozess der Christianisierung wurde in den drei Museen in Paderborn mit jeweils unterschiedlichen Themenschwerpunkten betrachtet: Die Ausstellungseinheit Lux mundi – Licht der Welt – im Diözesanmuseum begann mit der Ausbreitung des Christentums in der Antike und zeigte Veränderungen auf, die das Christentum im Laufe der Missionierung in den jeweiligen Ländern erfuhr. Unter dem Titel In hoc signo – In diesem Zeichen – widmete sich das Museum in der Kaiserpfalz den friedlichen und kriegerischen Missionsinitiativen. Schließlich beleuchtete die dritte und letzte Ausstellungseinheit Qvo vadis? – Wohin gehst Du? – in der Städtischen Galerie, wie in späteren Jahrhunderten der mittelalterliche Christianisierungsprozess wahrgenommen, aber auch politisch im Spiegel der jeweiligen Zeit gedeutet wurde. Der Rundgang mündete in der Frage nach der Identität Europas und dem Stellenwert seiner christlichen Wurzeln heute.
Bildimpressionen der Ausstellungseinheit 1 „Lux mundi“ im Diözesanmuseum
Diözesanmuseum : Lux Mundi
Das Diözesanmuseum bildete unter dem Titel Lux mundi – Licht der Welt – den thematischen Auftakt der CREDO-Ausstellung. Der Rundgang setzte chronologisch ein mit der Ausbreitung des Christentums in der Antike. Ausgehend von Rom, das als Grablege der Apostel Petrus und Paulus seit dem 4. Jahrhundert mehr und mehr zum Zentrum der lateinischen Christenheit wurde, zeichnete die Ausstellung die Wanderungen der Missionare etwa nach Irland, England, Skandinavien und Island „bis ans Ende der Welt“ nach. Bekannte Persönlichkeiten wurden in den Blick genommen wie der heilige Patrick in Irland, der heilige Bonifatius im fränkischen Reich oder der heilige Ansgar auf seinem Weg nach Skandinavien. Dabei verlief die Ausbreitung des neuen Glaubens keineswegs nur in eine Richtung, sondern war ein komplexer Prozess, in dem auch das Christentum durch den Kontakt mit den fremden Kulturen Veränderungen erfuhr. Diesen lebendigen Kulturtransfer belegten kostbare Goldschmiedearbeiten ebenso wie Werke der Holzschnitzkunst und Buchmalerei.
Kaiserpfalz : In hoc signo
Das Museum in der Kaiserpfalz zeigte unter dem Titel In hoc signo – In diesem Zeichen – die vielfältigen friedlichen und kriegerischen Maßnahmen zur Verbreitung des Christentums, ausgehend vom Frankenreich und Byzanz bis hin zur Christianisierung der Völker im Osten und Norden Europas. Beginnend mit Karl dem Großen folgte der Besucher den mittelalterlichen Herrschern auf ihren Expansionszügen, die nicht nur der Erweiterung und Festigung ihrer Territorien dienten, sondern auch die Ausbreitung des christlichen Glaubens fördern sollten. Die Auseinandersetzung der ottonischen Könige mit den Slawen war ebenso Thema, wie die mit großer Härte geführten Missionsvorstöße des Deutschen Ordens bis in das Baltikum hinein. Dem standen die friedlichen Missionsinitiativen gegenüber, etwa durch byzantinische Missionare wie die „Slawenapostel“ Kyrill und Method oder durch den „Pommernapostel“ Bischof Otto von Bamberg. Mit der Rolle Bernhards II. zur Lippe bei der Missionierung des Baltikums wurde der Blick auf die Bedeutung Paderborns als Missionsbistum gelenkt.
Städtische Galerie : Quo vadis?
Die dritte Ausstellungseinheit Quo vadis? – Wohin gehst Du? – beleuchtete aus unterschiedlichen Perspektiven, wie spätere Jahrhunderte den Christianisierungsprozess im Mittelalter wahrgenommen und bewertet haben. Personen, Orte und Ereignisse, die für den Vorgang bedeutsam waren, wurden seit der Neuzeit gezielt zur Profilierung dynastischer, nationaler und konfessioneller Identitäten genutzt. So bestimmten in der Frühen Neuzeit die unterschiedlichen konfessionellen Ausrichtungen die Wahrnehmung und Deutung der Christianisierung. Während von katholischer Seite Missionare und Könige als Heilige verehrt und zu Gründervätern der Fürstbistümer erhoben wurden, lehnte man aus reformatorischer Sicht die Heiligenverehrung und Romorientierung etwa eines Bonifatius ab. Reformation und katholische Reform wurden zum Ausgangspunkt neuzeitlicher Auseinandersetzungen um den christlichen Glauben. Im 19. Jahrhundert, zur Zeit der Nationalstaaten, sah man das Christentum als Grundlage einer gemeinsamen kulturellen Identität. Heilige, Missionare und Könige des frühen Mittelalters wurden zu Botschaftern dieses neuen Nationalbewusstseins. Die Marienburg, der Hauptsitz des Deutschen Ordens, wurde sogar zu einer nationalen Wallfahrtsstätte der Deutschen. Auch die völkisch-nationalsozialistische Deutung des Christentums wurde thematisiert, z.B. durch den sächsischen Heerführer Widukind. In einem regelrechten Sachsenkult wurde er zu einem heroischen Widerstandskämpfer und Vorbild für die Gegenwart erhoben. 1939 wurde in Enger die „Widukind-Gedächtnisstätte“ eingerichtet.