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12.10.2017 – 1.8.2018

Christoph Brech gehört zu den wichtigsten deutschen Foto- und Videokünstlern. Rund 50 seiner Arbeiten treffen in der aktuellen Ausstellung mit ausgewählten Stücken der Sammlung des Diözesanmuseums zusammen. Dieser Dialog bezieht Werke unterschiedlicher Gattungen ein: Skulpturen, Gemälde, Grafiken und Arbeiten der Goldschmiedekunst.

In der vorangegangenen Sonderausstellung „WUNDER ROMs im Blick des Nordens“ (30.03.-13.08.2017) bildeten seine hintergründigen und gleichzeitig poetischen Blicke auf die Heilige und Ewige Stadt den Abschluss der großen Präsentation. Für die aktuelle Ausstellung hat er nicht nur vorhandene Werke nach Paderborn gebracht sondern präsentiert dort auch neue Installationen. Der Münchner Künstler stellt Themen wie „Fragmentierung – Versehrtheit – Rekonstruktion“, „Zerstörung – Tod – Endzeit“ und „Zyklen des Lebens“ ins Zentrum der Auseinandersetzung mit den Objekten der Sammlung, zu deren Schwerpunkten mittelalterliche Skulptur gehört.

Brech arbeitet subtil, fängt immer wieder Momente großer Stille ein, oft betreibt er ein feinsinniges Spiel mit verschiedenen Bedeutungsebenen. Auch Musik hat für ihn einen hohen Stellenwert, auf überraschende und unmittelbare Weise überträgt er sie ins Bild. Seine Videoabeit „Monsalvat“ zeigt ein nächtliches Schwanenballett, gefilmt bei eisiger Kälte von einer Berliner Brücke aus. Die Tiere bewegen sich langsam im noch nicht zugefrorenen Bereich des Wassers. Das Licht der Stadt erhellt die ansonsten nachtschwarze Szene und taucht ihr Gefieder in goldenes Licht. Der Eindruck eines unwirklichen Tanzes entsteht, untermalt mit einem Klanggemisch aus Richard Wagners Lohengrin und Straßenlärm.

Inszeniert wird diese Arbeit im zentralen Raum des Diözesanmuseums: Die Projektion ist auf einer Breite von neun Metern  über vier graziösen, überlebensgroßen Allegorien und einem schwebenden Engel zu sehen. Die wunderbaren Skulpturen entstanden 1736 für die Festarchitektur des „Mausoleum Liborianum“ im Hohen Dom zu Paderborn.

Dem Marienleben widmet die Ausstellung einen eigenen Bereich. Leuchtkästen mit Bilder des abnehmen und zunehmenden Mondes stehen unterschiedlichen Marien-Skulpturen gegenüber. Die Mondphasen rhythmisieren die Zeit, seine Zyklen erinnern an die Atmung, Atmen ist Leben.

Im Zentrum der Installation steht die bedeutendste Skulptur des Diözesanmuseums: die berühmte Imad-Madonna aus dem 11. Jahrhundert. Sie ist eine der ältesten abendländischen Darstellungen des Typs der Thronenden Madonna. Hier krönt sie ein Sternenflug. Die Videosequenz zeigt einen imaginären Flug durch das All, eine NASA-Simulation. Sie ist Teil von  La fin du temps, einer 2011 entstanden Arbeit von Christoph Brech.

Der 180°-Kameraschwenk zeigt eine leere Landschaft, in der Zeit und Raum zu einer silbrigen Balance gefroren erscheinen. Eine nach der anderen schieben sich benachbarte Inseln mit ihren Gebirgszügen ins Blickfeld. Schließlich wird die Szenerie durch die schwarze Masse jener Landzunge verschlungen, auf der die Kamera steht. Der Titel der Arbeit: „Sound of Raasay“ .

Die Bucht von Raasay liegt im nördlichen Schottland vor der Halbinsel Skye im Nordatlantik. Das Video ist im Museum bewusst an den Zugang zur Schatzkammer des Paderborner Doms gesetzt, die sich in den historischen Gewölben des ehemaligen Bischofspalastes aus dem 11. Jahrhundert befindet. Die Arbeit zeigt bei aller Großartigkeit der Landschaft das lebensfeindliche Umfeld jener iro-schottischen Missionare, die sich im frühen Mittelalter auf den Weg machten, um das Christentum in Europa zu verbreiten. Vom Königreich Dalriada aus, zu dem Skye einst gehörte, wirkte der berühmte Ire Columban von Iona. In Paderborn waren iro-schottische Heilige – wie Kilian oder Brigida – schon vor über tausend Jahren als Patrone des Doms und seiner Kapellen von identitätsstiftender Bedeutung. Die Erinnerung an sie ist lebendig – sie formten Europa von den Grenzen her.

Der Bariton Wolfgang Koch schlüpft in dieser filmischen Überblendung von einer Opernrolle in die nächste – wandelt sich von Richard Wagners Wotan zu Ludwig van Beethovens Don Pizarro, weiter zu Giuseppe Verdis Falstaff, sodann zu Wagners Alberich, weiter zu Richard Strauss´ Jochanaan, zu Hans Pfitzners Carlo Borromeo und schließlich zu Mozarts Don Giovanni. Beständig trifft sein Blick den Betrachter, dann und wann blinzelt ein Auge. Sieben unterschiedliche Rollen stellt er vor, ohne je sein eigenes Gesicht preiszugeben. Christoph Brech schuf dieses Werk für die Portraitgalerie der Bayerischen Staatsoper in München. Es ist das erste und bislang einzige Videoportrait in der Reihe. Portrait Wolfgang Koch (2013).

In Paderborn haben zwei vom Hamburger Meister Jürgen Richels (1664–1711) im 17. Jahrhundert geschaffene Reliquienbüsten des heiligen Liborius und des heiligen Meinolphus Wolfgang Koch in ihre Mitte genommen. Sie verkörpern zwei Grundtypen barocker Frömmigkeit. Meinolphus gibt den jugendlichen Heiligen, der himmelwärts gerichtete Blick vergegenwärtigt ihn als sammelndes Gefäß mystischer Schau und Gotteserfahrung. Liborius dagegen verkörpert das expressiv-prophetische Sendungsbewusstsein der gegenreformatorischen Kirche.

Das Buch zur Ausstellung

Als eigenständige Erzählung greift ein bildreiches Buch die Themen der Präsentation auf und macht überraschende Zusammenhänge sichtbar. Wie durch ein Brennglas betrachtet, zeigt der Band unvermutete und tiefgründige Beziehungen zwischen zeitgenössischer Kunst und wichtigen sakralen Schätzen. Die Publikation umfasst rund 100 Abbildungen, einen einführenden Aufsatz und kurze, prägnante Texte zu Exponaten und Installationen, die kunstgeschichtliche, historische sowie aktuelle Aspekte anschaulich beleuchten.

Christoph Stiegemann/Christiane Ruhmann (Hrsg.)
MORE than ROME –  Christoph Brech im Dialog mit der Sammlung des Diözesanmuseums Paderborn
Michael Imhof-Verlag, 120 Seiten, 23 x 23 cm, Hardcover, Preis 22,95 €

Im Diözesanmuseum und im Buchhandel erhältlich.

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Ein Filmteam begleitete die bekannte Fotografin Barbara Klemm und den Künstler Christoph Brech in der Ausstellung.

Impressionen in der Ausstellung MORE than ROME

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