Ein Gemälde offenbart seine Geheimnisse
Tief verborgen unter bunten Farbschichten liegt die Vorzeichnung des Meisters, die nur ihm, seinen Mitarbeitern und den Auftraggebern bekannt war. Sie erfolgte nach dem langwierigen Prozess des Grundierens und vor dem Auftrag der Farbe. Es ist diese Vorzeichnung, welche die persönliche Handschrift des Meisters zeigt. Auch gibt sie Aufschluss über seine bevorzugten Zeichenmaterialien und seine Gedankenprozesse, wenn Proportionen überarbeitet und Ideen verworfen wurden.
Diesen flüchtigen Moment sichtbar zu machen, vermag die Infrarotreflektografie. Infrarotstrahlung kann tiefer als sichtbares Licht in die Malerei eindringen, wo sie von verschiedenen Farbmitteln unterschiedlich absorbiert wird. Mit Hilfe spezieller Detektoren kann dies für unsere Augen sichtbar gemacht werden. Die Firma Opus Instruments war so freundlich, uns ihre neu entwickelte Kamera für Testzwecke zur Verfügung zu stellen. Die Apollo-Kamera detektiert Signale im Wellenlängenbereich von 900-1700 nm.
Dem Meister in die Karten geschaut
Restauratorin Gisela Tilly und Fotograf Ansgar Hoffmann untersuchten mittels Infrarotkamera drei Werke des aus Geseke stammenden Meisters Gert van Lon und seiner Werkstatt. Insbesondere die Vorzeichnung des Gemäldes „Volkreicher Kalvarienberg“ (zurzeit Teil der Sonderausstellung Before the Wind), entstanden um 1520/30 wurde intensiv analysiert.
Die Aufnahmen zeigten Erstaunliches: In einigen Bildbereichen ist ein für van Lon typischer Duktus – also eine für ihn charakteristische Art der Form- und Linienführung – zu erkennen. Der Meister verwendete für seine Vorzeichnung sowohl wässrige Medien (Auftrag durch Pinsel, Feder o.ä.) als auch Stifte, die Abrieb erzeugen (z.B. Kreide). Er zeichnete nicht nur die Umrisse der Gebäude und Figuren vor, er legte auch die Gewandfalten und Architekturdetails an. Schatten von Stoffen oder Inkarnaten (also der Haut) markierte er durch einfache Schraffuren. Viele Details wurden in der späteren malerischen Ausführung leicht verschoben oder ganz weggelassen.
Es folgen hier nun einige Beispiele. Links die graue Infrarotaufnahme, rechts die finale Malerei.
Die heilige Veronika trägt das Schweißtuch, auf dem sich das Gesicht Jesu abgezeichnet hat. Zu der Gruppe hat sich ein rot gewandeter Mann gesellt: Im infraroten Licht erkennt man die Vorzeichnung der Hand, die einem dicken Fäustling gleicht. Auch die Pinsel- oder Federspuren mit ihren typischen „Klecksen“, die beim Auf- und Absetzen entstehen, wurden sichtbar.

Differenzierter angegeben werden die Gewänder der großen Figuren im Vordergrund: Die Puffärmel, die eigentlich vorgesehen waren, erkennt man heute nicht mehr. Der Verlauf der Schatten ist durch einfache Schraffuren wiedergegeben; typisch für van Lon sind auch die kurzen, stakkato-artigen Striche.
Zum Vergleich: die Vorzeichnung eines Tafelgemälde eines fränkischen (?) Meisters aus dem Bestand der Kunsthalle Bielefeld trägt auch bei großformatigen Hauptpersonen eine andere Handschrift. Die Schattenzonen werden hier nicht durch regelmäßige Schraffuren vorbereitet, sondern durch ausgelassenere, weichere oder malerische Linien.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes: Jesus errettete die Seelen von Adam und Eva. Die Schatten des Körpers Jesu – insbesondere im Bauchbereich – wurden ebenfalls durch feine schraffierte Linien vorgezeichnet. Betrachtet man den Zeichenduktus, fällt auf, dass die Umrisse von Adam und Eva frei und fließend angelegt sind. Die Komposition von Adams rechten Arm wurde um ein Stück versetzt. Ursprünglich war er weiter rechts angelegt. Hier spricht man von einem Reuestrich oder Pentiment. Gemeint ist eine Veränderung, die der Maler während des Malprozesses vorgenommen hat.
Verkleinerter Torbogen, weggelassenes Dachfenster – Gert van Lon hielt sich bei der Ausführung seines Gemäldes nicht immer an seine Vorzeichnung. Dies ist an den Gebäuden im linken Hintergrund zu beobachten.
An einer Stelle streicht der Künstler sogar eine gesamte Szene. Eine vermeintlich leere Lichtung zwischen Bäumen, Büschen und Steinfelsen offenbart im infraroten Licht eine Personengruppe. Körperformen, Gewänder und sogar Gesichter sind deutlich zu erkennen. Möglicherweise war hier die Darstellung der Grablegung angedacht. Warum auf die Durchführung verzichtet wurde, bleibt derzeit ein Rätsel.
Resümee & Ausblick
Dies sind die Ergebnisse eines Testdurchlaufes, in dessen Rahmen längst nicht alle technischen Möglichkeiten der Kamera genutzt werden konnten. Die bisherigen Erkenntnisse untermauern jedoch den Nutzen der Infrarotreflektographie, die auch Auskunft über den Erhaltungszustand allgemein, den Pinselduktus der durchgeführten Malerei und Retuschen geben kann.
Alle Beobachtungen können helfen, ein Werk besser zu verstehen und eine Zusammenarbeit von Meistern und Gehilfen sowie anderen Künstlern verfolgen zu können. Somit erfahren Zuschreibungen und zeitliche Einordnungen eine im Wortsinn grundlegende Unterstützung.
Ein Text von Gisela Tilly (Dipl.-Rest. Restauratorin)
Die Fotos (auch Infrarotaufnahmen) stammen von Ansgar Hoffmann (Berufsfotograf, Diplom-Designer)
Weiterführend zu dem Thema Infrarotuntersuchungen empfehlen wir den Blogbeitrag „Ich sehe was, was du nicht siehst“ des Landesmuseums Württemberg
Sie möchten mehr über die Techniken der Malerei erfahren? Dann empfehlen wir die Digital Story des Wallraf-Richarts-Museums: „Entdeckt! Techniken der Malerei“


















die eindrucksvolle Klangkunst von Künstlerin Franziska Baumann aus Bern möglich, die in mühevollen Studien und Kleinstarbeit den Wind „zum Tönen“ gebracht hat. Dazu passend finden aufmerksame Besucher*innen auf den oberen Ebenen des Museums Plattenspieler, die als Skulpturen fungieren. Sie stehen für das „entkörperte Gedächtnis“ – eine Erinnerung daran, dass Menschen mit der Erfindung des Phonographen zum ersten Mal Klang ohne sichtbaren Körper hören konnten. Sie sind Teil der 3. Windfigur, in der Erinnerungen in die Wüste, also in die Leere, getragen werden. Die Schallplatte, als Symbol für die Erinnerung, wird schließlich vom Wind davongeweht.
Musik- und Soundperformance im September live erleben
































