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Einen wunderschönen guten Tag. Ich möchte mich gerne einmal vorstellen: Mein Name ist Adriana Papadopoulou. Ich studiere Germanistische Literaturwissenschaften im Einfach-Master an der Universität Paderborn und darf mein außeruniversitäres Praktikum im Paderborner Diözesanmuseum absolvieren. Der Zusammenarbeit des Museums mit der Universität habe ich es zu verdanken, dass ich in der diesjährigen Sonderausstellung ,,Corvey und das Erbe der Antike” hinter die Kulissen blicken darf. So begleite ich nun auch die öffentliche Reihe ,,Dialoge im Museum” mit Blogbeiträgen, in denen ich die gemeinsamen Abende Revue passieren lasse.

Corvey und der Gesang der Sirenen

Sirenen gehören schon immer zu der Welt der mythologischen Erzählungen. Auch Odysseus begegnet auf seiner Irrfahrt durch die Meere nicht nur Mischwesen wie der Skylla und der Caryptis, sondern auch verführerisch singenden Sirenen. Gewiss kann diese Begegnung mit diesen monströsen Wesen nicht friedlich ausgehen. Als griechischer Held muss Odysseus gegen sie standhalten und seinen Scharfsinn beweisen. Interessant ist, dass das christliche Kloster Corvey aus dem 9. Jahrhundert diese antike Szene als so bedeutend empfand, dass sie an die Wände des Johanneschores des Corvyer Westwerks gemalt wurde (siehe Rekonstruktion oben).

Heute stellt diese Wandmalerei die einzig erhaltene mittelalterliche Darstellung der Odyssee dar. Für die Sonderausstellung „Corvey und das Erbe der Antike“ wurde sie rekonstruiert und als Animation zum Leben erweckt. Mit den digitalen Mitteln unserer Zeit können wir antike Figuren zwar wiederbeleben, aber wir können die Dargestellten nicht zum Singen bringen. Und so bleibt die Frage, die sich bereits das 18. Jahrhundert stellte: Wie könnten die Sirenen gesungen und sich angehört haben?

Die Oper zu Gast im Museum

Um dieser Frage auch für die heutige Zeit nachzugehen, lud das Diözesanmuseum am 24.10.24 gemeinsam mit Prof. Lothar van Laak (Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaften, Uni Paderborn) ein, einen musikalischen Abend im Dialog zu begehen. Der Gastdozent – Prof. Dr. Andreas Münzmay (Musikwissenschaftliches Seminar Paderborn / Detmold) – zeigte an drei Stationen anhand von ausgewählten Opernstücken, wie in den letzten Jahrhunderten der Odysseus-Stoff wahrgenommen und akustisch interpretiert wurde.

Jedes Stück nahm die vielen Zuhörenden auf eine neue Klangreise mit. In jedem Stück versuchte die Kunst durch die Thematisierung von Sirenen, Musen und der Zauberin Kirke auf verschiedene Gesichtspunkt der Verführung, der Odysseus aber auch wir heute ausgesetzt sein könnten, aufmerksam zu machen. Hören wir nicht alle Stimmen, die uns zweifelsohne sinnlose Versprechen machen, aber unser Leben erschweren? Statt der flüsternden Stimmen und leichten Schritte hörte man im Museum nun Töne und Gesang aus folgenden Stücken (hier veranschaulicht durch Videos und Abbildungen beispielhafter Inszenierungen):

Claudio Monteverdis „Il ritorno d’Ulisse in patria“ (1640)

 

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Jean-Marie Leclairs ,,Scylla et Glaucus” (1746)

 

Jean-Marie Leclairs ,,Scylla et Glaucus” (1746)

 

Helmut Lachmanns ,,Das Mädchen mit den Schwefelhölzern (1997)

 

(Die gelisteten Stücke lassen sich auch im Netz als vollständige Aufführungen oder einzelne Musikaufnahmen finden.)

 

Die Stücken verdeutlichen, dass sich die Komponisten nicht allein auf Odysseus fokussierten, sondern auch Neben- und Randfiguren neue Stimmen verliehen. Lachmann ging sogar so weit, die Sprache und den Gesang experimentell auseinanderzuziehen und mit Musik wieder neu zusammenzusetzen. Für die Oper ist Odysseus’ Seefahrt also bis heute eine Schatztruhe, die immer wieder neu geöffnet werden kann.

Das Publikum spricht

Zunächst bewachte die Bärin die Musiknoten, während die Abenddämmerung die Exponate kleidete. Im nächsten Moment tanzten die Noten vor den mittelalterlichen Handschriften, um abschließend vor Brody Neuenschwanders noch leeren Leinwand halt zu machen. Auf diesem Weg führte uns die Reihe ,,Dialoge im Museum”, in der das Diözesanmuseum in Zusammenarbeit mit der Universität Paderborn das Erbe des Odysseus zum Thema machte. Vor dieser beeindruckenden Kulisse ließ sich das Publikum inspirieren und ergriff sogar das Wort. Damit war das Ziel des Abends erreicht: Jede Person sollte die Möglichkeit erhalten, die Musik mit ihrer Stimme zu übertönen und ihre Meinung in einen neutralen Raum zu äußern. Beispielsweise bezog sich eine Beobachtung auf Penelope (Odysseus’ Ehefrau), die zusammen mit ihrem Sohn auf Odysseus‘ Rückkehr wartete. In der antiken Textvorlage kann die Ehefrau keine neue Familie gründen, sondern nur auf ihren Mann warten. Im Vergleich dazu sind in den vergangenen Jahrzehnten Patchwork-Familien in unserer Gesellschaft normal geworden. Weiterhin bemerkte eindrucksvoll eine Stimme, dass die Probleme, die Odysseus auf seiner Reise begegnet, die Schwierigkeiten des Menschseins nachzeichne. Das sind wichtige Aspekte, die zeigen, dass die Odysseus-Erzählung heute noch aktuell ist und nicht in der Antike verstauben muss.

 

Das war also der erste spannende Abend. Vielen lieben Dank!

Am 14. November wird uns mit der nächsten Episode ,,Dialoge im Museum” wieder die Gelegenheit gegeben werden, gemeinsam ins Gespräch zu kommen. Komm also ruhig vorbei, sei nicht schüchtern. Wir können an den Abenden im Museum sogar laut miteinander über die Exponate und die Kunst reden.

Adriana Papadopoulou

Credits

©Corvey | Westwerk Kloster Corvey | Foto: Kalle Noltenhans, Rekonstruktion: Christoph Stiegemann

©Wiener Staatsoper. https://www.youtube.com/watch?v=hmDZLMhhDfc. Die Wiener Staatsoper führt an fünf Tagen im November 2024 eine Neuinszenierung von Monteverdis ,,Il ritorno d’Ulisse in patria” auf.

©Landestheater Niederbayern. https://www.landestheater-niederbayern.de/events/433.

©Theater Kiel. https://www.theater-kiel.de/oper-kiel/repertoire/produktion/titel/skylla-und-glaukos.

©Deutsche Oper Berlin. https://deutscheoperberlin.de/de_DE/videos/1805.

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