Ein monumentaler Bildteppich mit einer verstörenden Szene! Sein Titel: „Sieg der Eucharistischen Wahrheit über die Irrlehre (Häresie)“. Da tobt ein wilder Kampf! Zu sehen sind herabstürzende Gestalten, ein sich windender Drache, und angstvoll blickend die beiden Reformatoren Calvin und Luther, die die eucharistische Wahrheit in Frage stellten. Es war Peter Paul Rubens, der geniale Meister des Barock, der das imposante Werk entwarf. Mit der Botschaft dieser dynamischen Darstellung verband sich seinerzeit auch eine politische Positionierung gegen die Reformation und für die Stärkung der katholischen Kirche und des katholischen Glaubens.
Vom Rhein zur Rubens-Ausstellung an die Pader
Gut 4 x 5 Meter misst die Rubens-Tapisserie aus dem Besitz des Metropolitankapitels Köln. Sie ist Teil der achtteiligen Serie „Triumph der Eucharistie“. Normalerweise schlummern diese kostbaren Werke in einem Depot, nur in der Zeit von Ostern bis Fronleichnam werden sie im Kölner Dom, zwischen den Pfeilern des Mittelschiffs, aufgehängt. Für die Ausstellung „Peter Paul Rubens und der Barock im Norden“ durfte einer dieser großartigen Bildteppiche ausnahmsweise reisen.
Brüsseler Weber schufen Rubens-Meisterwerk
Das textile Kunstwerk aus Wolle und Seide wurde um 1640 in der Brüsseler Manufaktur des Frans van der Hecke gewebt. Dort standen die Webstühle aufrecht im Raum und hinter der Kette hing in originaler Größe das auf Leinwand gemalte Bild oder eine Pause des Motives. Tapisserien waren äußerst wertvolle Repräsentationsobjekte, die in Fürstenhäusern und Domkirchen hingen. „Rubens musste bei der Teppichweberei eine ganz andere Oberfläche mitdenken“, erklärt die Textilrestauratorin Sabine Heitmeyer-Löns. „Eine große Herausforderung. Wie setzt man zum Beispiel Lichtreflexe in einem gewebten Bild? Rubens hat bei seiner Vorlage die ganze Handwerklichkeit mitgedacht.“
Erhalten ohne zu interpretieren
Sabine Heitmeyer-Löns betreut die Kölner Rubens-Tapisserien schon seit mehr als 20 Jahren: „Wir kennen jeden Quadratzentimeter, weil wir sie alle nacheinander in der Werkstatt hatten“. Und so ist die Fachfrau auch dabei, als das fast 400 Jahre alte Großexponat im Diözesanmuseum Paderborn eintrifft. Sehr vorsichtig wird es ausgepackt und schließlich behutsam nach oben gezogen, an seinen Platz auf Höhe der obersten Museumsebene.
Mehr als 1.500 Stunden haben Sabine Heitmeyer-Löns und ihre Kolleginnen an dem Bildteppich gearbeitet, der jetzt in Paderborn zu sehen ist, dabei war das nicht seine erste Restaurierung. Mit der Sicherung und Erhaltung der kompletten Kölner Serie wurde Mitte der 1970er Jahre bereits die Nürnberger Gobelin-Manufaktur beauftragt. Damals dauerte die aufwändige Prozedur gut 10 Jahre. „Die Substanz der Rubens-Teppiche war schon arg mitgenommen. Die Nürnberger haben das Beste gemacht, was man tun konnte, nämlich einen sehr schönen farblich einheitlichen Baumwollstoff mit Rippen zur Stabilisierung ganzflächig hinter die Teppiche genäht. Sie haben dazu eine Technik verwendet, die wir Restauratoren heute noch als optimal ansehen“, erzählt Heitmeyer-Löns bewundernd. „Wir versuchen ja immer das Objekt so originalgetreu wie möglich zu erhalten, ohne irgendwelche Interpretationen einzutragen. Das ist wie bei Gemälden, wenn man anfängt zu retuschieren, dann fängt man auch an zu fabulieren. Das heißt, wir ergänzen, wenn es eben geht, neutral.“
Zeitgeschmack und Straßenstaub
Als die acht Rubens-Teppiche als noble Schenkung des Domdechanten Wilhelm Egon von Fürstenberg aus Brüssel in den Kölner Dom kamen, hingen sie zunächst über den gotischen Malereien der Chorschranken. Doch der Zeitgeschmack änderte sich, am Dom wurde weitergebaut, 1842 entfernte man die Tapisserien, schließlich wurden sie sogar als Bodenteppiche bei Prozessionen genutzt. Und schwer beschädigt? „Das muss man differenziert sehen, denn neue Textilen halten viel aus“, berichtet Frau Heitmeyer-Löns. „Diese Teppiche waren aber bereits alt und vorgeschädigt. Kommen dann mechanische Belastungen wie Zug, Druck oder Bewegung hinzu, reißen oder brechen die Fasern und es entstehen Löcher. Der Hauptschädigungsfaktor bei historischen Textilien ist das Licht, und eine Tapisserie, die man zeigt, ist nun einmal dem Licht ausgeliefert. Wenn sie 1000 Jahre alte Stoffe aus Reliquiaren entnehmen, die ohne Licht und Luft überdauert haben, dann sind die wie neu. Textilien leiden im Wesentlichen durch den Oxidationsprozess unter Beteiligung von Lichtwellen.“
Mit Hydraulik und Fangstich
Trotz aller Vorsicht, beim Aufhängen und Abnehmen, beim Einrollen und beim Transport könnte es zu mechanischen Belastungen kommen. Deshalb sind präventive Techniken besonders wichtig. Für die alljährliche Präsentation der Rubens-Teppiche im Kölner Dom hat Sabine Heitmeyer-Löns Hand in Hand mit dem erfahrenen technischen Team vor Ort ein modernes und schonendes Verfahren entwickelt: „Die Kirchenbänke werden verschoben, so dass Folien ausgelegt werden können, auf denen man die Teppiche vollständig ausrollen kann. Oben ist ein Tunnel eingearbeitet, durch den ziehen wir eine Gerüststange. Dann kommen Geräte aus der Veranstaltungstechnik zum Einsatz, die nehmen mit ihren hydraulischen Armen den Teppich auf und fahren ihn durch das Kirchenschiff zum jeweiligen Platz. An Drähten können die Tapisserien dann schonend auf die richtige Höhe gezogen werden.“
Eine weitere Gefahr für die frei hängenden Teppiche ist das eigene Gewicht und so müssen alte Restaurierungen immer wieder überprüft und manchmal auch erneuert werden. „An diesem Rubens-Teppich gab es große Partien, die nachgenäht werden mussten, was vielleicht daran liegt, dass der in den 1970er Jahren unterlegte Stoff nicht sehr zugfest ist. Die Technik, die wir dann verwenden, ist der Spannstich, der in der Stickerei als Klosterstich bekannt ist. Wir arbeiten ihn mit dünnem, stabilem Garn und farblich so unauffällig ein, dass er im Gesamtbild kaum wahrzunehmen ist.“ Die Museumbesucher in Paderborn können diese wunderbare Tapisserie von einer Galerie aus quasi auf Augenhöhe bewundern, ohne etwas von der aufwändigen Restaurierungsarbeit zu ahnen.
Autorin: Waltraud Murauer-Ziebach