Monumentale Architektur ohne Schwere, Wände aufgelöst in große, lichtdurchflutete Maßwerkfenster, himmelwärts strebende Gewölbe, Figuren an den Portalen, die zart lächelnd oder schmerzerfüllt klagend tiefe menschliche Regungen zeigen, Architektur im Kleinen, fein detaillierte Planzeichnungen, Buchmalereien und kostbarste Goldschmiedekunst – all das ist kennzeichnend für die faszinierende Zeit der Gotik. Seit dem 12. Jahrhundert revolutionierten die Ideen und Innovationen dieser großartigen Stilepoche die Architektur und Kunst in ganz Europa.
Video zur Ausstellung, entstanden bei der Eröffnung.
Gespräch mit dem Wissenschaftler und Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Prof. Dr. Thomas Sternberg.
Digitale Rekonstruktion des Lettners im Paderborner Dom.
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Exponate aus ganz Europa, darunter die ältesten erhaltenen Architekturzeichnungen, die sogenannten Reimser Palimpseste, bedeutende Bildhauerwerke wie der berühmte „Kopf mit der Binde“ des Naumburger Meisters, Baupläne herausragender Kathedralen, Preziosen der Goldschmiedekunst, Elfenbeinschnitzerei und Buchmalerei, aber auch 3D-Modelle beleuchten die ereignisreiche Zeit der Gotik. Sechs Ausstellungseinheiten nehmen Ideen und Dynamiken in den Blick, die ihren internationalen Erfolg begründeten: vom Bauprozess über bahnbrechende technische Neuerungen bis zu Fragen des Kulturtransfers und des Lebensgefühls.
Von Reims über Paderborn bis nach Riga
Dabei entwirft die Schau ein faszinierendes Panorama des länderübergreifenden Phänomens der Gotik. Sie gibt Einblicke in die technischen und kulturellen Bedingungen für den Siegeszug jener innovativen Architektur- und Bildsprache des Mittelalters. In Frankreich beginnend veränderte die neue Formensprache seit dem 12. Jahrhundert die Architektur und Kunst in ganz Europa: Von Reims über Paderborn bis nach Riga.
Bischof Imad setzte Zeichen
Bereits im Jahr 1068 weihte der Paderborner Bischof Imad seine mächtige neue Bischofskirche. Deren Vorgängerbau war einem verheerenden Brand zum Opfer gefallen. Imads neues Gotteshaus wurde so bedeutend, dass sich sogar die Bauleute der Gotik im 13. Jahrhundert an dessen Ausmaßen und Formen orientierten. Es war die Zeit, in der sich die Domkapitel als eigene Institutionen etablierten und als Stifter und Konzepteure im Bauprozess hervortraten. Wichtige Impulsgeber waren aber auch die Bischöfe selbst. Hier traten in Paderborn insbesondere jene hervor, die aus dem Haus der Edelherren von der Lippe stammten.
Die Schirmherrschaft über die Ausstellung haben der Erzbischof von Paderborn, Hans-Josef Becker, sowie Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, übernommen.
Das Jubiläum
Vor 950 Jahren wurde der prächtige Neubau der Paderborner Bischofskirche geweiht. Dieses Jubiläum wird das Erzbistum Paderborn im Jahr 2018 mit zahlreichen Veranstaltungen feierlich begehen.
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Willkommen in einer neuen Zeit!
Die Ausstellung zeigt die revolutionären Veränderungen,
die – von Frankreich ausgehend – Europa in der Gotik erfassen.
Abbildung: Skulptur eines Bischofs, Südgiebel des Ostquerhauses des Paderborner Doms, Kunstinventarisation Paderborn, Copyright: Erzbistum Paderborn, Foto: Ansgar Hoffmann
Die einflussreichen Edelherren zur Lippe prägten – insbesondere als Paderborner Bischöfe – die Gotik in Westfalen und weit darüber hinaus.
Abbildung: Lippische Rose, Schlussstein im Gewölbe des Paderborner Doms. Foto: Ansgar Hoffmann
Mit ihren aufschlussreichen Details gibt die kostbare Miniatur des Turmbaus zu Babel einen Einblick in die Abläufe des Baubetriebs zur Zeit der Gotik und zeigt die technischen Innovationen dieser Epoche: Neue Werkzeuge, neue Arbeitsmaterialien und –Methoden, die so auch beim Bau des Paderborner Doms zum Einsatz gekommen sein müssen.
Abbildung: Turmbau zu Babel, Weltchronik des Rudolf von Ems, 1383, Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Codex Bibl. 2°5, fol. 9v
Der Kopf mit der Binde steht für die Darstellung der Emotionalität in der Skulptur der Gotik. Sie ist Zeichen einer sich neu etablierenden Frömmigkeit.
Abbildung: sog. Kopf mit der Binde, Naumburger Meister, um 1240; Mainz, Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum. Foto: Bernd Schermuly
In der Gotik war das Kunsthandwerk stark von der Architektur geprägt, was vor allem aus der kurz vorher entstandenen detailgetreuen Bauzeichnung resultierte. Dieser kostbare Deckel eines Buchkastens aus der Benediktinerabtei St. Paul im Lavanttal veranschaulicht den faszinierenden Aspekt der ‚Architektur en miniature‘.
Abbildung: Deckel eines Buchkastens aus St. Blasien, Straßburg, um 1270, Silber, vergoldet, gegossen, getrieben, emailliert,
Benediktinerabtei St. Paul im Lavanttal, Foto: Gerfried Sitar
Große Gefühle – in Stein gemeißelt: In der Gotik werden Skulpturen zum Gegenüber der Menschen – ihre Präsenz und emotionale Kraft ist faszinierend und beeindruckt die Betrachter noch heute.
Abbildung: Kopf eines Jünglings oder Engels, Trier, um 1245, Sandstein, Rheinisches Landesmuseum Trier – Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz; Foto: Thomas Zühmer
Nie zuvor war die Goldschmiedekunst in ihrer Formsprache so durch die Architektur geprägt, wie in der Gotik. Großartige Preziosen aus ganz Europa zeigen, wie überzeugend die Künstler der Zeit gotische Bauformen in einen winzigen Maßstab übertrugen.
Abbildung: Dreiturmreliquiar, Aachen, um 1370/90, Silber, vergoldet, Edelsteine, Email, Aachen, Schatzkammer des Aachener Doms, © Domschatzkammer Aachen, Foto: Ansgar Hoffmann, Schlangen
Der Katalog zur Ausstellung
Gotik. Der Paderborner Dom und die Baukultur des 13. Jahrhunderts in Europa
Christoph Stiegemann (Hg.)
800 Seiten, ca. 740 Abbildungen, 21,5 × 28 cm, Hardcover, Michael Imhof Verlag
ISBN 978-3-7319-0734-3
Museumpreis: 39,95 € ; Buchhandelspreis: 49,95 €
In 21 anschaulich verfassten, reich bebilderten Essays von ausgewiesenen Experten der Architektur- und Kunstgeschichte entwirft der Katalog ein breites Panorama gotischer Kunst und Architektur. Neben den grandiosen Hochleistungen der gotischen Zentren geht es darum zu zeigen, wie sich eigene regionale Traditionen etwa beim Paderborner Dombau des 13. Jahrhunderts mit westlichen Einflüssen zu selbstbewussten neuen Formen verbinden konnten.