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Eine Überraschung im Diözesanmuseum

Fünf ernst dreinblickende Prämonstratenser-Chorherren schmücken das Plakat und den Katalog zur aktuellen Sonderausstellung „Welt und Zeit gestalten“ im Diözesanmuseum Paderborn. Sie tragen lange, fleckig braune Gewänder mit breiten Kapuzen. Ihre Gesichter haben dieselbe trübe Farbigkeit, einzelne Gesichtszüge sind nur schwer auszumachen (Abb. 1).

Beim Besuch der Ausstellung ist das Erstaunen groß, tritt man vor das Original und erblickt die fünf Herren in strahlend weißen Kutten und mit gesund rosiger Hautfarbe. Nicht nur ihre Erscheinung, sondern auch ihre Stimmung scheint verändert: Die feinen und nun individuell hervortretenden Gesichtszüge wirken offen, ein Chorherr lächelt sogar.

Abb. 1 Darstellung von fünf Prämonstratenser-Chorherren vor der Restaurierung
Abb. 2 Untersuchungen im UV-Licht, alte Retuschen erscheinen dunkel-violett
Abb. 3 Infrarotaufnahme eines Prämonstratenser-Details

UV-Licht, Infrarot und ein geschulter Blick

Was ist der Grund für diese Verwandlung?

Verantwortlich ist Restauratorin Gisela Tilly, die die fünf Ordensmännern in Vorbereitung auf die Ausstellung einer intensiven und langwierigen Restaurierung unterzog. Aber nicht nur das Titelmotiv der Ausstellung, sondern gleich beide 118 x 130 cm großen Eichenholztafeln des Altars der kath. Kirchengemeinde St. Nicolai in Lippstadt erhielten ihre alte Strahlkraft zurück.

Bereits seit Ende Oktober 2021 arbeitete Tilly in ihrer Werkstatt an den Gemälden. Vor der eigentlichen Restaurierung mussten zunächst Vorarbeiten geleistet werden: „Recherche, schriftliche und fotografische Dokumentation des Ist-Zustands und Verzeichnung von Schäden sind im Vorfeld besonders wichtig – alles begleitet durch ganz genaues Hinschauen. Man muss ja schließlich wissen, womit man es zu tun hat“, so Tilly.

Auch UV-Licht kam bei der Untersuchung der ca. 500 Jahre alten Tafelmalereien zum Einsatz und ermöglichte, Veränderungen auf der Malschichtoberfläche festzustellen. So wurde im Fall der fünf Prämonstratenser deutlich, dass die Tonsur des mittleren Mannes zu einem früheren Zeitpunkt bereits übermalt und auch auf seiner Kutte zahlreiche Retuschen (Ergänzungen) vorgenommen worden waren (Abb. 2). Tilly war also nicht die erste Restauratorin, die sich um den Erhalt der Tafeln bemühte, andere waren ihr vorausgegangen – dies konnte auch durch zwei unterschiedliche Kittmassen bestätigt werden, die sie auf der Bildoberfläche fand und die wohl dazu dienten, frühere Fehlstellen zu schließen.

Mit Hilfe von Infrarotaufnahmen konnte die Restauratorin zudem das Innere – genauer gesagt die Untermalungen des Gemäldes – zum Vorschein bringen. Hier war es besonders der letzte lächelnde Prämonstratenser, der eine Überraschung bereithielt: Die feinen, parallel verlaufenden Linien der Vorzeichnung ließen deutlich werden, dass Ärmel und Hand wohl mehrfach in ihrer Höhe variiert worden waren (Abb. 3).

Mit Wattestäbchen und Lösungsmittel zur Rettung

Den Voruntersuchungen folgte nun die Abnahme des Firnisses. Dabei handelt es sich um einen klaren Überzug, der abschließend auf die Farbschicht aufgetragen wird und gleich zwei Aufgaben erfüllt: Zum einen lässt er die Farben satter hervortreten und sorgt für einen einheitlichen Glanz des Gemäldes, zum anderen dient er als Schutzschicht vor Staub und Beschädigungen. Diese Firnisschicht, meist bestehend aus trocknenden Ölen (mit oder ohne eingeschmolzenen Harzen) oder Eiklar, vergilbt während des Alterungsprozesses zunehmend. Dies kann zur Folge haben, dass die eigentliche Strahlkraft eines Gemäldes verloren geht und auch die Darstellung zunehmend verunklart – wie bei unseren Prämonstratensern zu beobachten.

Während der Abnahme der Firnisschicht führte Tilly immer wieder denselben Arbeitsschritt durch: Zunächst wird Watte um ein Stäbchen gedreht, dann in Lösungsmittel getränkt. Das Lösungsmittel ist zu Beginn ein mildes, das erst bei ausbleibendem Erfolg langsam in seiner Intensität erhöht wird. Auch muss jedes Lösungsmittel bei jeder Farbe erneut auf seine Verträglichkeit getestet werden. In feinen, kreisenden Bewegungen führt die Restauratorin dann das Wattestäbchen so lange über eine kleine Stelle des Gemäldes, bis sich der gelbe Firnis auflöst und die Farbschicht zu Tage tritt (Abb. 4). „Das ist immer ein sehr spannender Prozess. Man kann nie genau wissen, was bei der Reinigung zu Tage tritt“, so Tilly. Auch diese Firnisabnahme hielt Überraschungen bereit. So tauchte am linken Bildrand der rechten Tafel ein kleiner Schwan samt Spiegelung im Wasser auf, der zuvor nur für einen Schmutzfleck gehalten worden war (Abb. 5).

Abb. 4 Restauratorin Gisela Tilly bei der Firnisabnahme
Abb. 5 Nach der Firnisabnahme wieder erschienen: kleiner Schwan samt Spiegelung

Letzte kosmetische Gesichtsbehandlungen

Mit der Abnahme der Firnisschicht wurden auch frühere Retuschen entfernt, sodass an einigen Stellen – so auch im Gesicht des mittleren Prämonstratensers – eine alte dunkle Kittmasse zu Tage trat (Abb. 6). Diese hatte einst dazu gedient, Beschädigungen im Bild zu füllen. Nun galt es, diese dunklen Bereiche erneut zu retuschieren und an den Rest des Gemäldes anzupassen. Hierfür wurden die dunklen Stellen zunächst „farblich vorgelegt“, also mit einem an die Hautfarbe des Prämonstratensers angepassten Farbton einheitlich überdeckt (Abb. 7). Erst danach passte Gisela Tilly die retuschierte Fläche mittels kleiner Punkte und Striche unterschiedlicher Farbigkeit dem Gesicht des Prämonstratensers an. Auch die Tonsur wurde gleich an zwei Stellen ergänzt (Abb. 8). „Ziel der Retusche ist es, die Lesbarkeit des Gemäldes und den harmonischen Gesamteindruck wiederherzustellen, ohne etwas hinzuzuerfinden“, so Tilly.

Abb. 6 Nach Abnahme der Firnisschicht und alter Retuschen
Abb. 7 Die alte, schwarze Kittmasse wird farblich mit Aquarell vorgelegt
Abb. 8 Die retuschierten Bereiche werden farblich weiter angepasst

Die frisch restaurierten Gemälde stellen momentan einen der Höhepunkte der Ausstellung „Welt und Zeit gestalten. Kulturerbe der Prämonstratenser im Erzbistum Paderborn“ dar. Noch bis zum 13. März können die fünf kleinen Prämonstratenser in ihren strahlend weißen Kutten im Diözesanmuseum bewundert werden.

Die beiden Tafelgemälde

Die beiden spätgotischen Tafelgemälde (Abb. 9, 10) stammen vermutlich aus dem bei Lippstadt gelegenen ehemaligen Prämonstratenserinnenstift Cappel und gehören heute zu dem im 19. Jahrhunderts aus verschiedenen Teilen zusammengesetzten Altar der Kirche St. Nicolai in Lippstadt.

Die ehemaligen Außenseiten zeigen für den Orden der Prämonstratenser bedeutende Heilige. Auf der linken Tafel geht Ordensgründer Norbert von Xanten im weißen Habit voran, ihm folgen Johannes der Täufer und der Kirchenvater Augustinus. Sie wenden sich der rechten Tafel zu, auf der die gekrönte Gottesmutter mit dem Jesuskind umgeben von einem Strahlenkranz dargestellt ist. Das Kind reicht der hl. Katharina den Ring, hinter ihr die hl. Maria Magdalena – beide tragen kostbare Kleidung und Kopfschmuck.

Die Heiligen werden begleitet von je einer Gruppe Prämonstratenser-Chorherren und -frauen, die bedeutungsperspektivisch kleiner dargestellt sind. Norbert, Katharina und Maria Magdalena haben ihre Hände an die Häupter der Ordensmitglieder gelegt und empfehlen sie der Gottesmutter.

Abb. 9, 10 Restaurierte Tafeln eines gotischen Flügelaltars, Niederrhein/Niederlande (?), 1. Viertel 16. Jh., Öl auf Holz, beidseitig bemalt, Kath. Kirchengemeinde St. Nicolai, Lippstadt (Dauerleihgabe aus Privatbesitz)

Ein Text von Britta Schwemke in Zusammenarbeit mit Gisela Tilly

 

Bildnachweis

Abb. 1, 9+10: Ansgar Hoffmann, Schlangen

Abb. 2+3, 5-8: Gisela Tilly, Paderborn

Abb. 4: Britta Schwemke, Paderborn

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