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In der Gotik-Ausstellung zu sehen: Glasfenster der Marburger Elisabethkirche, um 1245/50, Gesamtverband Evangelischer Kirchengemeinden in Marburg (als Dauerleihgabe im Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Phillips-Universität, Marburg), Foto: Diözesanmuseum Paderborn

Die Gotteshäuser der Gotik waren riesig und lichtdurchflutet. Die genialen Baumeister dieser Zeit überboten sich darin, die Wände der Kathedralen „aufzulösen“, und man schuf großartige Glasfenster. Mit der Kraft der Sonnenstrahlen verändert sich die Wirkung dieser beeindruckenden, transparenten Mosaike und damit die Atmosphäre des ganzen Raumes. „Es wurden Gläser mit intensiven Farben benutzt, damit die Reflexion des Lichts auf den Wänden und auf dem Boden sichtbar wurde. Alles leuchtete und man hatte das Gefühl, in einem Glaskristall zu sitzen“, so beschreibt die Glasmalerin Anke Schanz das, was sie den „gotischen Lichteffekt“ nennt. Seit 1989 arbeitet die Fachfrau für die „Glasmalerei Peters“ in Paderborn, die zu den wenigen Werkstätten in Europa gehören, die historische Glasfenster restaurieren können.

Im Rahmen unserer großen Gotik-Ausstellung leitet Anke Schanz Workshops mit dem Titel „Scherben bringen Glück! Kreatives Arbeiten mit Glas“. Nächster Termin: Samstag, 15. Dezember, 13 –17.30 Uhr, im Diözesanmuseum Paderborn.

Zerbrechliche Schönheit

Viele der zerbrechlichen Kunstwerke sind im Laufe der Jahrhunderte zerstört worden und die, die noch erhaltenen sind, müssen sorgsam gepflegt und geschützt werden. Dazu bedarf es alter Handwerkskunst und auch modernstes Know-how ist gefragt. Regelmäßig holen die Monteure der Glasmalerei Peters Fenster aus der Kathedrale von Sevilla, dem größten gotischen Gotteshaus in Spanien, nach Paderborn und auch eines der berühmten Fenster der Kathedrale von Chartres wurde hier restauriert. „Solche alten Glasarbeiten werden von unseren Restauratoren ausgebaut und dann von unseren Fachleuten transportiert“, erzählt Anke Schanz. „In der Werkstatt werden sie dann fotografiert — Auflicht, Durchlicht, Vorder- und Rückseite. Das ist die Grundlage für eine genaue Bestandsaufnahme und die umfangreiche Dokumentation des Zustands und Bestands. Danach beginnen die Voruntersuchungen: In welcher Verfassung sind Glas, Blei und Bemalung? Dann folgt meist ein Termin mit dem Eigentümer und dem zuständigen Denkmalpfleger. Dabei wird geklärt, was und wie restauriert werden kann und soll. Bei solchen Terminen werde häufig um Kompromisse gerungen, erklärt die Glasmalerin lachend, denn meist würden sich die Eigentümer ein besonders schönes Ergebnis wünschen, während die Denkmalpfleger die oft viele hundert Jahre alten Kunstwerke „möglichst nicht anfassen“ möchten.

Wenn die Heizung die Kunst bedroht

Der erste Schritt bei der Restaurierung ist die Auswahl der Reinigungsmethode. Die wiederum ist abhängig vom Zustand des Fensters. Ist die Farbe lose, müssen Löcher geschlossen werden? „Meistens haben die Fenster Fehlstellen“, sagt Anke Schanz, „dann wird ein kleines Stückchen Glas so lange geschliffen, bis es genau hineinpasst und eingeklebt. Diese kaum sichtbare Klebestelle retuschieren wir dann, aber nur diese Stelle, denn das Glas selbst darf nicht verändert werden.“ Ein aufwendiges Verfahren und kostspielig, wenn man bedenkt, dass allein die Kathedrale von Sevilla 108 riesige Fenster besitzt. Die Experten der Glasmalerei Peters plädieren für Schutzverglasungen. Die helfen dabei, die Belastungen durch Umwelteinflüsse zu reduzieren, schützen gegen den aggressiven Taubenkot und wirken sich positiv auf das Innenklima aus. „Früher hatte man im Winter vielleicht fünf Grad in einer Kirche und eine relativ gleichbleibende Temperatur. Wenn man so heizt wie heute, läuft innen am Fenster Schwitzwasser herunter. Das Wasser zerstört die Malerei und sorgt für Schimmel“, so beschreibt Anke Schanz die Situation in viel genutzten Kirchen. „Wir haben schon Fenster gehabt, die waren komplett mit Schimmelpilz überzogen, und so ein Raumklima schädigt auch Holzfiguren, Schnitzereien, Wandbemalungen, Fresken, das geht alles kaputt – also Schutzverglasungen helfen, auch wenn das ein Kompromiss bei der Außenwahrnehmung ist – oder man stellt die Heizung ab…“

Vom Kirchenraum zum Flughafen

Der geheimnisvolle Zauber von farbigem, von Künstlerhand gestaltetem Glas wirkt nicht nur in Kirchenräumen. Neue Fertigungsmethoden machen es möglich, dass Flughäfen und Bahnhöfe, U-Bahnstationen, Museen, Technologiezentren, Universitäten und die unterschiedlichsten Neubauten in aller Welt mit gläsernen Kunstwerken von zum Teil enormen Ausmaßen ausgestattet werden. Auch viele zeitgenössische Künstler/innen können sich der Faszination der bunten Scheiben nicht entziehen. So sind bei Glasmalerei Peters die fast 500 Quadratmeter großen, rot- und blaugrundigen, strukturierten Glasflächen des Künstlers Graham Jones für den Hong Kong International Airport hergestellt worden. Ein Krankenhaus in Belfast bekam eine leuchtende, gläserne Fassade, ein Hotel auf Mallorca eine verspielte Glaskuppel, ein Tunnel in Südkorea eine farbstarke gläserne Lichtinstallation. „Es hat sich viel verändert, alles ist so riesig geworden“, sagt Anke Schanz. „Die Bleiverglasungen waren handlich, man konnte sie sich unter den Arm klemmen. Heute stellen wir gewaltige Teile her, für die braucht man schon mal fünf Leute, um sie zu bewegen. Früher war das Standardmaß ein DIN A3-Blatt, mehr schaffte der Brennofen nicht, unterdessen haben wir wahrscheinlich den größten Ofen der Welt, er hat 4 x 6 Meter – so große Glasscheiben können wir heute brennen.“

Midfield Concourse – Hong Kong International Airport, China, Künstler: Graham Jones; Foto: Glas Peters

Die Harmonie von Licht und Farbe

Viele Künstler geben nur ihre Zeichnungen ab und überlassen die Herstellung der Fenster den Handwerkern. So war es schon im Mittelalter, doch manche legen gerne selber Hand an und verbringen viel Zeit bei der Glasmalerei Peters. Dort lagern die großen, farbigen Glastafeln in hohen Regalen. Rund 5.000 Standardglastöne stellt zum Beispiel die Glashütte Lamberts her. Kleine Farbmuster stehen vor Fensterscheiben und der kritische Blick ins Licht ist ein Markenzeichen des Berufs. Es kommt schließlich auf die perfekte Harmonie von Licht und Farbe an, das war in der Gotik so und hat sich bis heute nicht geändert.

Sa. 15. Dezember | 13–17.30 Uhr

Scherben bringen Glück! Kreatives Arbeiten mit Glas
Workshop für Erwachsene und Jugendliche ab 16 Jahren
Leitung: Anke Schanz

 

Text und Fotos bei Glas Peters: Waltraud Murauer-Ziebach

 

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