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Zwei Kirchenmaler-Gesellinnen besuchen auf ihrer Walz das Erzbischöfliche Diözesanmuseum in Paderborn.

Kirchenmalerinnen auf der Walz bewundern Paderborner Dom und Erzbischöfliches Diözesanmuseum

Ihre traditionelle Walz führt die beiden Handwerksgesellinnen Sophia (26) aus Würzburg und Anne (23) aus Mühlhausen in Thüringen innerhalb von mindestens drei Jahren und einem Tag durch Deutschland und Europa. Dass die beiden Kirchenmalerinnen auf ihrem Weg einen Abstecher nach Paderborn machen und den Hohen Dom und das Erzbischöfliche Diözesanmuseum besuchen, gehört für die beiden Frauen zu ihrer Walz dazu. Museumsdirektor Holger Kempkens hieß die beiden Kirchenmaler-Gesellinnen am Donnerstag, 31. März 2022, willkommen und freute sich über deren fachkundige Rückmeldung: „Die zahlreichen mittelalterlichen Madonnendarstellungen im Museum sind wunderschön. Wir sind beeindruckt von der Sammlung und vom Paderborner Dom“, so die beiden Kirchenmalerinnen.

Sophia aus Würzburg ist seit zehn Wochen auf der Walz, Anne aus Mühlhausen in Thüringen seit sieben Wochen. In unterschiedlichen  Betrieben absolvierten sie ihre Ausbildung zur Kirchenmalerin. Sie lernten sich in der einzigen Berufsschule für Kirchenmaler kennen, diese besuchten sie in München. Auf ihrer Walz kommen sie aktuell aus dem Ahrtal, wo sie in Handwerksbetrieben gearbeitet haben, und sind jetzt auf dem Weg nach Norddeutschland. Sophie informiert über die traditionelle Kleidung auf der Walz: „Das form- und farbgebende Gewerbe trägt rot, daran erkennt man Schneider-, Maler- und Kirchenmaler-Gesellen. Mindestens drei Jahre und einen Tag werden wir auf der Walz sein, erst dann kommen wir wieder zum Ortsschild unseres Heimatortes.“

Museumsdirektor Holger Kempkens wünschte den beiden Frauen viele gute und bereichernde Begegnungen. Mit Freude bestätigt er beiden Kirchenmalerinnen ihren Besuch im Dom und im Diözesanmuseum mit einem Stempel.

Hintergrund: Was ist eine Walz?

Mit dem Begriff Walz ist die Zeit der Wanderschaft von Zunft-Gesellen nach dem Abschluss ihrer Lehrzeit (Freisprechung) gemeint. Vom Spätmittelalter bis zum Anfang der Industrialisierung war sie eine der Voraussetzungen für die Zulassung zur Meisterprüfung. Dadurch sollte gewährleistet werden, dass die Gesellen neue Arbeitspraktiken in fremden Orten, in Regionen und Ländern kennenlernen. Hinzu kommt das Sammeln von Lebenserfahrung.

 

Bild und Text: Thomas Throenle / Erzbistum Paderborn

Museumsdirektor Holger Kempkens stellt weitere Highlights der Sonderausstellung „Welt und Zeit gestalten. Kulturerbe der Prämonstratenser im Erzbistum Paderborn“ vor. Zum einen um geht es um einen kleinen Tragaltar und einen Reliquienschrein vom Anfang des 12. Jahrhunderts, zum anderen um eine kleine Reliquienstatuette aus dem ersten Viertel des 13. Jahrhunderts, die vermutlich den hl. Vitus zeigt. Alle drei Werke stammen aus dem ehemaligen Prämonstratenserinnenstift Lette.

Die Ausstellung war bis zum 13. März im Diözesanmuseum zu sehen.

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Die Kuratorinnen der Ausstellung „Welt und Zeit gestalten. Kulturerbe der Prämonstratenser im Erzbistum Paderborn“ stellen zwei ganz besondere Exponate der aktuellen Präsentation vor:

Karin Wermert spricht über das sog. Stifterbild des ehemaligen Prämonstratenserstifts Scheda, erläutert die dargestellte Gründungslegende und weist auf spannende Details der Malerei hin.

Um eine prachtvolle Monstranz des ehemaligen Katharinenklosters in Dortmund geht es bei Ulrike Frey. Sie spricht über den „Verwendungszweck“ des Objekts und rückt den Fokus auf die versteckte Darstellung der bekrönten hl. Katharina.

Die Ausstellung „Welt und Zeit gestalten. Kulturerbe der Prämonstratenser im Erzbistum Paderborn“ ist noch bis zum 13. März im Diözesanmuseum zu sehen.

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Eine Überraschung im Diözesanmuseum

Fünf ernst dreinblickende Prämonstratenser-Chorherren schmücken das Plakat und den Katalog zur aktuellen Sonderausstellung „Welt und Zeit gestalten“ im Diözesanmuseum Paderborn. Sie tragen lange, fleckig braune Gewänder mit breiten Kapuzen. Ihre Gesichter haben dieselbe trübe Farbigkeit, einzelne Gesichtszüge sind nur schwer auszumachen (Abb. 1).

Beim Besuch der Ausstellung ist das Erstaunen groß, tritt man vor das Original und erblickt die fünf Herren in strahlend weißen Kutten und mit gesund rosiger Hautfarbe. Nicht nur ihre Erscheinung, sondern auch ihre Stimmung scheint verändert: Die feinen und nun individuell hervortretenden Gesichtszüge wirken offen, ein Chorherr lächelt sogar.

Abb. 1 Darstellung von fünf Prämonstratenser-Chorherren vor der Restaurierung
Abb. 2 Untersuchungen im UV-Licht, alte Retuschen erscheinen dunkel-violett
Abb. 3 Infrarotaufnahme eines Prämonstratenser-Details

UV-Licht, Infrarot und ein geschulter Blick

Was ist der Grund für diese Verwandlung?

Verantwortlich ist Restauratorin Gisela Tilly, die die fünf Ordensmännern in Vorbereitung auf die Ausstellung einer intensiven und langwierigen Restaurierung unterzog. Aber nicht nur das Titelmotiv der Ausstellung, sondern gleich beide 118 x 130 cm großen Eichenholztafeln des Altars der kath. Kirchengemeinde St. Nicolai in Lippstadt erhielten ihre alte Strahlkraft zurück.

Bereits seit Ende Oktober 2021 arbeitete Tilly in ihrer Werkstatt an den Gemälden. Vor der eigentlichen Restaurierung mussten zunächst Vorarbeiten geleistet werden: „Recherche, schriftliche und fotografische Dokumentation des Ist-Zustands und Verzeichnung von Schäden sind im Vorfeld besonders wichtig – alles begleitet durch ganz genaues Hinschauen. Man muss ja schließlich wissen, womit man es zu tun hat“, so Tilly.

Auch UV-Licht kam bei der Untersuchung der ca. 500 Jahre alten Tafelmalereien zum Einsatz und ermöglichte, Veränderungen auf der Malschichtoberfläche festzustellen. So wurde im Fall der fünf Prämonstratenser deutlich, dass die Tonsur des mittleren Mannes zu einem früheren Zeitpunkt bereits übermalt und auch auf seiner Kutte zahlreiche Retuschen (Ergänzungen) vorgenommen worden waren (Abb. 2). Tilly war also nicht die erste Restauratorin, die sich um den Erhalt der Tafeln bemühte, andere waren ihr vorausgegangen – dies konnte auch durch zwei unterschiedliche Kittmassen bestätigt werden, die sie auf der Bildoberfläche fand und die wohl dazu dienten, frühere Fehlstellen zu schließen.

Mit Hilfe von Infrarotaufnahmen konnte die Restauratorin zudem das Innere – genauer gesagt die Untermalungen des Gemäldes – zum Vorschein bringen. Hier war es besonders der letzte lächelnde Prämonstratenser, der eine Überraschung bereithielt: Die feinen, parallel verlaufenden Linien der Vorzeichnung ließen deutlich werden, dass Ärmel und Hand wohl mehrfach in ihrer Höhe variiert worden waren (Abb. 3).

Mit Wattestäbchen und Lösungsmittel zur Rettung

Den Voruntersuchungen folgte nun die Abnahme des Firnisses. Dabei handelt es sich um einen klaren Überzug, der abschließend auf die Farbschicht aufgetragen wird und gleich zwei Aufgaben erfüllt: Zum einen lässt er die Farben satter hervortreten und sorgt für einen einheitlichen Glanz des Gemäldes, zum anderen dient er als Schutzschicht vor Staub und Beschädigungen. Diese Firnisschicht, meist bestehend aus trocknenden Ölen (mit oder ohne eingeschmolzenen Harzen) oder Eiklar, vergilbt während des Alterungsprozesses zunehmend. Dies kann zur Folge haben, dass die eigentliche Strahlkraft eines Gemäldes verloren geht und auch die Darstellung zunehmend verunklart – wie bei unseren Prämonstratensern zu beobachten.

Während der Abnahme der Firnisschicht führte Tilly immer wieder denselben Arbeitsschritt durch: Zunächst wird Watte um ein Stäbchen gedreht, dann in Lösungsmittel getränkt. Das Lösungsmittel ist zu Beginn ein mildes, das erst bei ausbleibendem Erfolg langsam in seiner Intensität erhöht wird. Auch muss jedes Lösungsmittel bei jeder Farbe erneut auf seine Verträglichkeit getestet werden. In feinen, kreisenden Bewegungen führt die Restauratorin dann das Wattestäbchen so lange über eine kleine Stelle des Gemäldes, bis sich der gelbe Firnis auflöst und die Farbschicht zu Tage tritt (Abb. 4). „Das ist immer ein sehr spannender Prozess. Man kann nie genau wissen, was bei der Reinigung zu Tage tritt“, so Tilly. Auch diese Firnisabnahme hielt Überraschungen bereit. So tauchte am linken Bildrand der rechten Tafel ein kleiner Schwan samt Spiegelung im Wasser auf, der zuvor nur für einen Schmutzfleck gehalten worden war (Abb. 5).

Abb. 4 Restauratorin Gisela Tilly bei der Firnisabnahme
Abb. 5 Nach der Firnisabnahme wieder erschienen: kleiner Schwan samt Spiegelung

Letzte kosmetische Gesichtsbehandlungen

Mit der Abnahme der Firnisschicht wurden auch frühere Retuschen entfernt, sodass an einigen Stellen – so auch im Gesicht des mittleren Prämonstratensers – eine alte dunkle Kittmasse zu Tage trat (Abb. 6). Diese hatte einst dazu gedient, Beschädigungen im Bild zu füllen. Nun galt es, diese dunklen Bereiche erneut zu retuschieren und an den Rest des Gemäldes anzupassen. Hierfür wurden die dunklen Stellen zunächst „farblich vorgelegt“, also mit einem an die Hautfarbe des Prämonstratensers angepassten Farbton einheitlich überdeckt (Abb. 7). Erst danach passte Gisela Tilly die retuschierte Fläche mittels kleiner Punkte und Striche unterschiedlicher Farbigkeit dem Gesicht des Prämonstratensers an. Auch die Tonsur wurde gleich an zwei Stellen ergänzt (Abb. 8). „Ziel der Retusche ist es, die Lesbarkeit des Gemäldes und den harmonischen Gesamteindruck wiederherzustellen, ohne etwas hinzuzuerfinden“, so Tilly.

Abb. 6 Nach Abnahme der Firnisschicht und alter Retuschen
Abb. 7 Die alte, schwarze Kittmasse wird farblich mit Aquarell vorgelegt
Abb. 8 Die retuschierten Bereiche werden farblich weiter angepasst

Die frisch restaurierten Gemälde stellen momentan einen der Höhepunkte der Ausstellung „Welt und Zeit gestalten. Kulturerbe der Prämonstratenser im Erzbistum Paderborn“ dar. Noch bis zum 13. März können die fünf kleinen Prämonstratenser in ihren strahlend weißen Kutten im Diözesanmuseum bewundert werden.

Die beiden Tafelgemälde

Die beiden spätgotischen Tafelgemälde (Abb. 9, 10) stammen vermutlich aus dem bei Lippstadt gelegenen ehemaligen Prämonstratenserinnenstift Cappel und gehören heute zu dem im 19. Jahrhunderts aus verschiedenen Teilen zusammengesetzten Altar der Kirche St. Nicolai in Lippstadt.

Die ehemaligen Außenseiten zeigen für den Orden der Prämonstratenser bedeutende Heilige. Auf der linken Tafel geht Ordensgründer Norbert von Xanten im weißen Habit voran, ihm folgen Johannes der Täufer und der Kirchenvater Augustinus. Sie wenden sich der rechten Tafel zu, auf der die gekrönte Gottesmutter mit dem Jesuskind umgeben von einem Strahlenkranz dargestellt ist. Das Kind reicht der hl. Katharina den Ring, hinter ihr die hl. Maria Magdalena – beide tragen kostbare Kleidung und Kopfschmuck.

Die Heiligen werden begleitet von je einer Gruppe Prämonstratenser-Chorherren und -frauen, die bedeutungsperspektivisch kleiner dargestellt sind. Norbert, Katharina und Maria Magdalena haben ihre Hände an die Häupter der Ordensmitglieder gelegt und empfehlen sie der Gottesmutter.

Abb. 9, 10 Restaurierte Tafeln eines gotischen Flügelaltars, Niederrhein/Niederlande (?), 1. Viertel 16. Jh., Öl auf Holz, beidseitig bemalt, Kath. Kirchengemeinde St. Nicolai, Lippstadt (Dauerleihgabe aus Privatbesitz)

Ein Text von Britta Schwemke in Zusammenarbeit mit Gisela Tilly

 

Bildnachweis

Abb. 1, 9+10: Ansgar Hoffmann, Schlangen

Abb. 2+3, 5-8: Gisela Tilly, Paderborn

Abb. 4: Britta Schwemke, Paderborn

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