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Fragmente des barocken Hochaltargemäldes des Paderborner Doms
  • Antonius Willemssens und Werkstatt (zugeschrieben), 1656/58
  • Öl auf Leinwand
  • Paderborn, Hoher Dom St. Marien, St. Liborius und St. Kilian, Inv.-Nrn. M 957 und M 822.3

Der barocke Dom-Hochaltar wurde von Fürstbischof Dietrich Adolf von der Recke (amt. 1651–1661) gestiftet und vermutlich 1656 begonnen; geweiht wurde er erst 1662 unter seinem Nachfolger Ferdinand von Fürstenberg (amt. 1661–1683). Das Altargemälde befand sich nicht innerhalb der freistehenden Retabelarchitektur, sondern saß in einem Rahmen auf der Chorrückwand, wodurch eine größere Tiefenwirkung erzielt wurde. Zu den Seiten optisch eingefasst wurde es von zwei Paaren versetzt angeordneter Spiralsäulen mit Putten, Frucht- und Blütenranken sowie einem mit Engelköpfen geschmückten Gebälk. Hierauf standen mächtige Skulpturen der vier Kirchenväter, die sich der in der Mitte thronenden Gottesmutter mit Kind zuwandten. Überhöht wurde der Aufbau von der Figur des Auferstandenen.

Das Altarblatt mit einer Größe von annähernd 16 m2 zeigt die „Anbetung der Hirten“ mit Josef und Maria, die ihren Sohn den sich nähernden Hirten präsentiert. Eine Magd kniet zunächst der Heiligen Familie, der weitere Personen mit ihren Gaben folgen, während zwei Hirten sich in der Bildmitte neugierig dem kleinen Jesus zuneigen. Eine bewegte Wolke kindlicher Engel, von der aus Licht auf die Szenerie fällt, nimmt eine Ecke des Stalls ein.

Bei dem Maler handelt es sich um Antonius Willemssens (1625–1691), der gemeinsam mit seinem Bruder Ludovicus (1630–1702) für die Domchor-Neueinrichtung von Antwerpen nach Paderborn zog. Die architektonische Struktur des Hauptaltars von Ludovicus ging im Zweiten Weltkrieg unter. Dagegen blieben von dem Gemälde etwa 60 Prozent mehr oder weniger beschädigt erhalten. Bei einem Luftmineneinschlag am 17. Januar 1945 waren die Altarblätter wie in winzige Fetzen zerblasen und am nächsten Tag sichergestellt worden. Die übrigen Bestandteile des Retabels verbrannten beim Bombenangriff vom 27. März 1945. Die geretteten Fragmente der Altarbilder wurden im Keller der Dompropstei eingelagert. Erst 1983 wurden sie dort wieder entdeckt, vorläufig konserviert und seitdem im Depot des Diözesanmuseums bewahrt.

Durch die im Rahmen der letzten Sonderausstellung durchgeführte Restaurierung (Reinigung, Firnisabnahme und -neuauftrag) erhielten die Fragmente in weiten Teilen ihre frühere Leuchtkraft zurück. So erzeugt die große, auf Distanz angelegte und lebendige Umsetzung des Bildthemas eine auch heute noch berührende Intimität. Mithilfe naturwissenschaftlicher Methoden konnte der Malschichtaufbau analysiert werden. Auf die Leinwand wurde ein graubrauner Fondton aus Bleiweiß, Kohlenstoffschwarz, Kreide und Quarz aufgetragen. Das Bleiweiß stammte aus England und war ein weit verbreitetes Produkt, das ebenso von anderen Flamen wie Peter Paul Rubens oder Jacob Jordaens verwendet wurde. Röntgen- und Mammographieaufnahmen zeigen kleinere Veränderungen im Malprozess, auch lassen sich mit Blick auf die Malweise mehrere Hände ausmachen.

Fotos: Kalle Noltenhans

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