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  • Corvey, letztes Viertel 10. Jahrhundert
  • Pergament aus vier Miniaturen, 82 Bll., Pergament aus späterer Zeit
  • Inv.-Nr. HS 7 (seit 1924 Leihgabe aus St. Nikolai, Höxter)

Ein Evangeliar ist ein liturgisches Buch mit dem vollständigen Text der vier Evangelien nach Matthäus (Engel/Mensch), Markus (Löwe), Lukas (Stier) und Johannes (Adler). Häufig ist es kunstvoll ausgestaltet. Jedem Evangelium ist ein sogenanntes Autorenbild vorangestellt, das den jeweiligen Evangelisten und/oder das ihm zugeordnete Symbol zeigt. Die Anfangsbuchstaben der Texte (Initialen) sind besonders hervorgehoben und reich verziert.

Der fragmentierte Codex aus Höxter enthält außer den Vorreden zu den Evangelien nur den Text des Matthäusevangeliums bis Kapitel 25 und den Beginn des Markusevangeliums. Von der reich ornamentierten Ausstattung des Evangeliars haben sich vier Blätter erhalten. Auf dem Evangelistenbild (fol. 14v) erscheint Matthäus in einem rechteckigen ornamentierten Rahmenfeld, das wie eine Mauernische in einer streng horizontal gegliederten Architekturfassade wirkt. Gewandet in eine Tunika und mit einem über dem Arm gerafften Manteltuch, sitzt Matthäus auf einem goldenen Thron. Seine Füße ruhen auf einem perspektivisch dargestellten Podest, das aus der Rahmung hervorragt. Während der Körper des Evangelisten streng frontal ausgerichtet ist, wendet er sein Haupt schräg nach oben. Sein Blick ist auf den Engel gerichtet, das ihn kennzeichnende Symbol. Der Engel erscheint in einem vergoldeten Rundmedaillon als Halbfigur hinter einem aufgeschlagenen Buch. Durch den nach oben gerichteten Blick versinnbildlichten die Buchmaler die Offenheit für die Eingebung (Inspiration) Gottes, auf die der Evangelist hier schreibbereit und mit gezückter Feder zu warten scheint. Den Anfangsworten des Matthäusevangeliums − Liber generationisJesu Christi… („Dies ist das Buch von der Geburt Christi …“) − steht eine fein verzierte L-Initiale (fol. 15r) mit vergoldeter Kontur voran.

Ausstattung und Schrift des Evangeliarfragments erlauben eine zweifelsfreie Zuweisung an das berühmte Skriptorium des Klosters Corvey. Schon bald nach seiner Gründung im Jahre 822 hatte sich Corvey zum führenden christlichen Zentrum Sachsens entwickelt. Seine Schrift- und Buchkunst verdankte es den westfränkischen Mönchen, die aus ihrem Mutterkloster Corbie die Vorbilder und die Kunstfertigkeit in die neue Schreibwerkstatt nach Corvey mitbrachten. Die bedeutende mittelalterliche Corveyer Klosterbibliothek fiel 1635, während des Dreißigjährigen Krieges, den Flammen zum Opfer. Möglicherweise gehörte dieses nur noch als Fragment erhaltene Evangeliar zu deren einstigem Bestand.

Laut Eintrag wurde die neu gebundene Handschrift bereits 1666 der damals wieder im Aufbau begriffenen Barockbibliothek des Klosters einverleibt. Nach der Säkularisation ging sie in den Besitz der Kirchengemeinde St. Nikolai zu Höxter über und kam 1924 als Leihgabe in das Diözesanmuseum.

Autorenbild des Evangelisten Matthäus mit seinem Symbol, dem Engel

Fotos: Ansgar Hoffmann

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