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… oder wie entsteht eine Ausstellung in Zeiten der Pandemie?

Gestaltungsentwurf für die Rubens-Ausstellung 2020 im Diözesanmuseum Paderborn von ©Ludger Schwarze-Blanke

Wenn Kuratorinnen zu Krisenmanagerinnen werden. Ein Gespräch mit den Ausstellungsmacherinnen Christiane Ruhmann und Petra Koch-Lütke Westhues über Kuriere im Corona-Modus, Restaurator*innen mit Maske, komplizierte Kunsttransporte, aber auch mehr Muße für Text und Buch zur Rubens-Ausstellung.

Shutdown auf der Zielgeraden

Das Diözesanmuseum Paderborn ist bekannt für seine internationalen Themenausstellungen. Es hat gute Kontakte zu großen Museen in ganz Europa und Übersee. Man kennt und vertraut sich. Doch Corona brachte auch in den Museen eingespielte Systeme aus dem Takt. Nach gut zwei Jahren Vorbereitungszeit war das Team auf der Zielgeraden, der Umbau für „Peter Paul Rubens und der Barock im Norden“ lief bereits. Dann kam der Shutdown. Eröffnung am 29. Mai? Illusorisch. Doch man blieb ruhig. „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!“, schrieb Museumsdirektor Christoph Stiegemann optimistisch in seinem Blogbeitrag. Aber was heißt das für die praktische Museumsarbeit, für die Ausstellung, die jetzt am 25. Juli ihre Türen für Besucher öffnen wird?

Freude über kollegiale Empathie und europäische Solidarität

Petra Koch-Lütke Westhues beim vermessen des barocken Chorgitters aus dem Paderborner Dom in der Restaurierungswerkstatt. ©DiözesanmuseumPaderborn

„Die europäische Zusammenarbeit hat bei uns wunderbar funktioniert“, sagt Christiane Ruhmann. „Alle Kollegen und Kolleginnen waren hilfsbereit und verständnisvoll. Wir können fast alles wie geplant zeigen.“ Flexibilität ist trotzdem gefragt, über 70 Leihgeberinnen und Leihgeber hat Petra Koch-Lütke Westhues erneut kontaktieren müssen. „Ich hoffe, es geht Ihnen gut! Das war immer mein erster Satz und es kamen ganz viele persönliche und ermutigende Nachrichten zurück: ‚Alles in Ordnung bei uns. Ich hoffe, Ihnen und Ihren Lieben geht es auch gut. Wenn es eben möglich ist, bekommt ihr unsere Leihgaben. Wir unterstützen Euch!‘ Man hat gegenseitig mitempfunden, in dieser Form habe ich das noch nicht erlebt.“

Mit Lupe, Maske und Abstand

Die kostbaren Exponate werden auf ihrer Reise von wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen oder Restaurator/innen begleitet. Im Diözesanmuseum erwartet sie dann ein spezialisiertes Team mit Rollwagen, Hebebühne, Flaschenzug für die Großen und Schweren, weißen Handschuhen und passgenau angefertigten Vitrinen für die Kleineren und Empfindlichen. Wenn die Kunst kommt, muss jeder Handgriff sitzen. Wie wird das dieses Mal gehen, Frau Ruhmann? „Alles wie immer, nur mit Maske und zwei Metern Abstand. Der Restaurator wird jeden Zentimeter des angelieferten Objekts unter die Lupe nehmen, das Zustandsprotokoll anfertigen und alle andern müssen zurückbleiben.“ Darf Corona-bedingt kein Kurier mitreisen, werden die Paderborner zusätzlich filmen und noch intensiver fotografieren als sonst.

Expertenwissen und Fleißarbeit

Wie finden Sie eigentlich Ihre Leihgaben? „Als Kuratorin macht man zunächst ein Grobkonzept“, erklärt Christiane Ruhmann, „dabei hat man schon ein paar wichtige Exponate im Kopf. Das Grobkonzept kam für die Rubensausstellung von unserer Kollegin Karin Wermert. Wir intensivieren dann die Literatur-, Museums- und Internetrecherche, sichten Ausstellungskataloge und wenn das ausführliche Konzept steht, folgt bei uns eine Beiratssitzung“, beschreibt die Kuratorin das weitere Prozedere. „Wir haben das Glück, dass wir dazu oft Experten aus ganz Europa einladen können.“ Meistens sind neben renommierten Forschern und Wissenschaftlern auch Kollegen aus den Museen dabei, die Objekte vorschlagen, die kaum bekannt sind oder noch nie gezeigt wurden. „Das ist uns wichtig“, sagt Christiane Ruhmann, „denn wir wollen immer auch Neues, Unerwartetes zum jeweiligen Thema ausstellen.“

„Von Nagel zu Nagel“ in geheimnisvollen Kisten

Erste Kunsttransporte sind eingetroffen.
Erste Kunsttransporte sind eingetroffen. ©Diözesanmuseum Paderborn

Sind die Exponate zugesagt, wird mit den Kunsttransporteuren verhandelt, die auch über Sondergenehmigungen verfügen. „Das ist eine sehr spezialisierte Branche und die Kurierfahrzeuge brauchen eine spezielle Ausstattung und natürlich eine fachkundige Besatzung. Allerdings ohne Versicherung kein Transport – „von Nagel zu Nagel“ muss die Police gelten. Also von der Abnahme im heimischen Museum bis zum Ende der Rückreise. Durch die Verschiebung der Rubens-Ausstellung mussten alle Leih- und alle Versicherungsverträge neu verhandelt werden. Jetzt ist es geschafft und die Transportplanung in vollem Gange: Wann kommt welches Werk? Welcher Kurier ist dabei, welche Restauratoren werden gebraucht? Und dabei muss darauf geachtet werden, dass nie zu viele Menschen gleichzeitig im Museum sind.

Gute Organisation und ein bisschen Geduld

Anlieferung der Arbeit „It is, it isn’t“ von Tony Cragg, ©VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Anlieferung der Arbeit „It is, it isn’t“ von Tony Cragg, ©VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Und auf was müssen sich die Besucher/innen der Rubens-Ausstellung einstellen, Frau Ruhmann? „Maske tragen, Hände desinfizieren, persönliche Daten angeben und Abstand halten – das kennen wir ja unterdessen alle. Unser Haus hat 800 m² und so dürfen 80 Menschen gleichzeitig in die Ausstellung, Aufsichten mitgezählt. Wir haben eine Zähleinrichtung und wenn die Obergrenze erreicht ist, müssen die Leute leider warten. Ich denke, das wird ganz gut klappen, denn wir werden geführte Gruppen und Einzelbesucher trennen.“ So bleiben Dienstag- und Mittwochvormittag sowie Freitagnachmittag den Gruppen vorbehalten. „Natürlich rechnen wir mit weniger Besuchern, aber wir wollten auf keinen Fall aufgeben, nicht absagen. Kultur ist gerade jetzt wichtig.“

 

„Rubens, Baby!“ und Ölmalerei

Die Veranstaltungen und museumspädagogischen Programme zur Rubens-Ausstellung sollen so weit wie möglich stattfinden. An den speziellen Themenführungen mit Kuratoren und Restauratoren dürfen dann nur 9 bis 10 statt 20 Personen teilnehmen. Für Kurse wie den Workshop zur Ölmalerei gibt es Hygieneregeln und man hofft, dass auch ‚Rubens, Baby!‘ – das neue Angebot für junge Eltern mit Kleinkindern trotz Corona angenommen wird. „Schulklassen, für die unsere Museumspädagogin Britta Schwemke wirklich ein schönes Programm zusammengestellt hat, werden sich in diesem Jahr vermutlich erst mal selbst wieder im Unterreicht organisieren müssen und nicht an einen Museumsbesuch denken“, bedauert Christiane Ruhmann, „sollte es aber von dieser Seite doch Interesse geben, sind alle herzlich willkommen!“.

Ruhe vor dem Endspurt

Aufbau der Rubens-Ausstellung.
Aufbau der Rubens-Ausstellung: Jetzt wird aus virtueller Planung reale Raumgestaltung. ©DiözesanmuseumPaderborn

Hatte die Ausnahmesituation der letzten Monate auch etwas Positives? „Manches konnten wir mit weniger Druck angehen, die Vitrinen-Planung und die Ausstellungsgestaltung waren entspannter und wir hatten mehr Zeit für die Texte und den Katalog“, sagt Petra Koch-Lütke Westhues. Doch am Ende wird es wie immer eng, denn jeder nimmt sein Bild erst im letzten Moment vom Nagel. Alle Objekte kommen innerhalb weniger Tage an, es wird also trubelig – aber mit Abstand!“

Viel Erfolg, gute Nerven und vielen Dank für das Gespräch.

 

 

 

 

Dr. Christiane Ruhmann gehört seit 1999 als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin zum Team des Diözesanmuseums Paderborn. Sie studierte Vor- und Frühgeschichte, Geschichte und Klassische Archäologie an der Christian-Albrechts Universität Kiel und der Westfälischen Wilhelms Universität Münster, wo sie auch promovierte.

Dr. PetraKoch-Lütke Westhues kam 1996 zur Vorbereitung der im Jahr 1999 gezeigten Karolingerausstellung nach Paderborn und ist seitdem – mit Unterbrechungen – als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin am Diözesanmuseum tätig. Sie studierte Mittlere und Neuere Geschichte, Volkskunde und Kunstgeschichte an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster, wo sie auch promovierte.

Autorin: Waltraud Murauer-Ziebach

 

 

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